Sprengsatz in Bonn : Das deutsche Zentrum des Dschihadismus
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In dieser Tasche wurde später der Sprengsatz gefunden. Bild: dapd
In Bonn kreuzen sich die Wege zahlreicher militanter Islamisten. Nun ist die Stadt nur knapp einem Bombenanschlag entgangen - mutmaßlich durchgeführt von einer Schlüsselfigur der Szene.
Vier Gaskartuschen aus dem Baumarkt, jede mit 500 Millilitern Inhalt, dazu diverse Batterien, ein mit Ammoniumnitrat gefülltes Metallrohr und Nägel - das sind die Bausteine für die Bombe, die vor sechs Tagen auf dem Bonner Hauptbahnhof gefunden wurde. Bei einer Explosion wäre ein Feuerball entstanden, Metallsplitter wären durch die Luft geflogen, es hätte wohl Tote und Verletzte gegeben. Doch Deutschland hat wieder einmal Glück gehabt.
Dass die ehemalige Bundeshauptstadt nur knapp einer Katastrophe entgangen ist, wurde am Freitag klar. Ermittler des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen berichteten, die Bombe sei gezündet worden, aber wegen eines Baufehlers nicht detoniert. Die Bombenbauer hätten den Draht einer Glühbirne statt eines Boosters, eines Sprengsatzverstärkers, benutzt. Dadurch war die Zündung nicht stark genug, um die Bombe zur Explosion zu bringen.
Die Batterien, die in der Tasche gefunden worden seien, hätten einen niedrigen Ladestand gehabt, was darauf hinweise, dass die Zündung erfolgt sei. Zudem seien Schmauchspuren in den Resten der Tasche gefunden worden, in der die Bombe transportiert worden sei. Ein Spezialkommando hatte am Montag mit einem Wassergewehr die Bombe unschädlich gemacht, nachdem diese von zwei Jugendlichen auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs entdeckt worden war.
Begründeter Verdacht
Dass die Bombe wegen einer fehlerhaften Konstruktion nicht explodierte, erinnert an die aus dem Libanon stammenden „Kofferbomber“. Sie hatten im Juli 2006 am Hauptbahnhof Köln in zwei Regionalzügen je einen Rollkoffer mit einem Sprengsatz abgestellt. Auch damals detonierten die Bomben nicht, weil die Attentäter einen Fehler bei deren Bau gemacht hatten. Am Freitagabend übernahm die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen. Es gebe Anhaltspunkte, dass der versuchte Sprengstoffanschlag einer terroristischen Vereinigung radikalislamistischer Prägung zuzurechnen sei, hieß es.
Dreh- und Angelpunkt für die Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft ist der Mann, der die Bombe auf dem Gleis abstellte. Nach Angaben der beiden Jugendlichen handelt es sich um einen 30 bis 35 Jahre alten, 1,90 Meter großen, schlanken und dunkelhäutigen Mann. Die Bundesanwaltschaft hat einen begründeten Verdacht, wer der Mann sein könnte. Er soll aus der radikalen Bonner Islamisten-Szene stammen und dort eine Schlüsselfigur sein. Aufgrund seiner zahlreichen Verbindungen geht man davon aus, dass der Anschlag von einer Gruppe, einer inländischen terroristischen Vereinigung, geplant worden ist.
Ein Mittäter soll die Bombe zum Bahnhof transportiert und sie dann an den Mann übergeben haben, der sie auf dem Gleis abstellte. Bei dem Mittäter handelt es sich um einen kräftigen, hellhäutigen Mann mit Vollbart, der ein Konvertit sein könnte. Ihn hatte eine Videokamera in einem McDonald’s-Restaurant am Bonner Bahnhof aufgenommen, als er am Montagmittag die Tasche mit sich trug - die Polizei fahndet nun mit Hilfe des Videos. Der Mann soll die Tasche danach dem dunkelhäutigen Mann übergeben haben. Eine weitere, bisher nicht veröffentliche Filmsequenz soll das zeigen.
Die Ermittler gingen von Anfang an davon aus, dass die Bombe von militanten Islamisten stammt. Schon am Dienstag hatte die Polizei zwei den Behörden bekannte Islamisten festgenommen, musste sie aber bald wieder auf freien Fuß setzen. Einer der beiden ist der Deutsch-Somalier Omar D. Ein jugendlicher Zeuge will ihn als den Dunkelhäutigen erkannt haben, der die Bombe abgestellt habe. Omar D. gilt den Behörden seit Jahren als Mitglied des harten Kerns der Bonner Szene militanter Islamisten.
Er wurde am 26. September 2008 von der Polizei am Flughafen Köln/Bonn aus einem startbereiten Flugzeug geholt, weil die Behörden annahmen, dass er und sein Begleiter über Amsterdam nach Entebbe in Uganda reisen wollten, um von dort nach Somalia zu gelangen. Dort wollten sie sich offenbar der radikalislamistischen Al-Shabaab-Miliz anschließen. Im Gepäck der Reisenden wurden damals Abschiedsbriefe gefunden.