Spitzel-Affäre : BND-Chef Uhrlau in Bedrängnis
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BND-Präsident Uhrlau: „Unerträgliche Geheimnistuerei”? Bild: picture-alliance/ dpa
Die Affäre um die Überwachung der E-Mails einer Journalistin bringt den Bundesnachrichtendienst in Erklärungsnot. Unions-Politiker Peter Uhl (CSU), Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, schließt eine Ablösung des BND-Präsidenten Ernst Uhrlau nicht mehr aus.
Die Affäre um die Überwachung einer „Spiegel“-Reporterin bringt den Bundesnachrichtendienst (BND) in politische Bedrängnis. Parteiübergreifend wurden am Mittwoch Rufe nach einer Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) laut, das die Geheimdienste überwacht. Das PKG hatte von dem Fall erst im Nachhinein erfahren.
Unions-Politiker und PKG-Mitglied Peter Uhl (CSU) hat eine Ablösung des BND-Präsidenten Ernst Uhrlau wegen der Bespitzelung der Journalistin nicht ausgeschlossen. Es wäre sicher falsch, eine Rücktrittsforderung zu stellen, bevor wichtige Fragen beantwortet seien, sagte Uhl am Mittwoch in der ARD. „Aber ich schließe dieses nicht aus, wenn die Fragen unzureichend oder unerträglich für einen Rechtsstaat beantwortet werden“, fügte er hinzu.
„Geduld ist irgendwann zu Ende“
Die SPD hat sich zunächst gegen eine Ablösung Uhrlaus gewandt. „Das halte ich im Moment für abwegig“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thomas Oppermann. Man müsse und solle Geduld haben mit einem Nachrichtendienst, der aus der Zeit des Kalten Krieges komme. „Aber diese Geduld geht auch irgendwann zu Ende“. Es gebe eine klare Anweisung, dass Journalisten nicht bespitzelt werden dürften. „Wir erwarten, dass das Kanzleramt diese Linie auch gegenüber dem BND durchsetzt.“
Die Sitzung des Gremiums wurde am Mittwoch nach zweieinhalb Stunden geschlossen und soll an diesem Donnerstag fortgesetzt werden. Es gebe noch keine abschließende Beurteilung sagte Oppermann am Mittwoch abend.
Am Wochenende war bekanntgeworden, dass der BND 2006 monatelang E-Mails einer „Spiegel“-Reporterin überwacht und mitgeschnitten hatte. Uhrlau hatte die 42 Jahre alte Reporterin am vergangenen Freitag darüber informiert und um Entschuldigung gebeten. Die Reporterin habe in Kontakt mit afghanischen Politikern gestanden. Nach Medienberichten hatten BND-Beamte trotz einer anderslautenden Anweisung des BND-Präsidenten die Überwachung vorgenommen.
„Ohne Wissen der Behördenleitung“?
Uhl verwies darauf, dass bei der geplanten Online-Durchsuchung strenge Kriterien vereinbart seien. So dürfe nur der Präsident des Bundeskriminalamts den Antrag darauf stellen, und ein Gericht müsse diesen bearbeiten. „Und hier soll auf der unteren Beamtenebene ohne Wissen der Behördenleitung etwas geschehen sein? Das ist unerträglich“, kritisierte Uhl. Es sei auch unerträglich, wenn Uhrlau seiner vorgesetzten Dienststelle, dem Kanzleramt, nichts berichtet habe, weil er nichts gewusst habe. „Dann können wir nichts kontrollieren.“
Alle Fraktionen im Bundestag vereine die Empörung über den Umgang der Dienste mit dem Parlament. „So kann es nicht weitergehen“, sagte der CSU-Politiker. Der Auslandsgeheimdienst BND ist bereits früher wegen der Ausspähung von Journalisten in die Kritik geraten.
Derzeit streitet die Koalition darüber, wie die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste verbessert werden kann. Die Union will dem Parlamentarischen Kontrollgremium ähnliche Ermittlungsbefugnisse wie einer Staatsanwaltschaft geben und dafür Sonderermittler berufen. Die SPD will dagegen derartige Ermittlungen nicht in die Hände eines Experten legen.
Nach Einschätzung des FDP-Sicherheitspolitikers Max Stadler sind Union und SPD nun dazu bereit, die Kompetenzen des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu erweitern. Die FDP sei schon lange der Meinung, dass angesichts der erweiterten Befugnisse der Geheimdienste auch die Kontrolle verbessert werden müsse, sagte Stadler im RBB-Inforadio.
„Schwerste Grundrechtsverletzungen“
Der Grünen-Politiker Ströbele sprach von „schwersten Grundrechtsverletzungen“, die personelle Konsequenzen erforderten.
Das Kontrollgremium hatte, wie von anderen Vorkommnissen in diesem Jahr, auch von der „Spiegel“-Angelegenheit über Dritte erfahren und nicht von Dienstchef oder dem Bundeskanzleramt. Das war schon in der Liechtenstein-Angelegenheit beklagt worden und kürzlich im Fall der heimliche Polizisten-Ausbildung in Libyen. Dem BND war im Frühsommer 2006 nach der überwiegend rechtswidrigen Beobachtung von Journalisten und Publizisten im Inland aufgegeben worden, das künftig zu unterlassen.
Offenbar wurde wenige Wochen später damit begonnen, die persönliche und wohl auch intime Korrespondenz zwischen der Journalistin Koelbl und einem afghanischen Politiker zu verfolgen.
Uhrlau, der den BND reformieren und auf seinen Teilumzug von Pullachnach Berlin vorbereiten soll, führt den Dienst seit 2005. Davor war er als Abteilungsleiter im Kanzerleramt zuständig für die Nachrichtendienste. Er hatte die Reporterin am vergangenen Freitag von der heimlichen Überwachung unterrichtet und um Entschuldigung gebeten.