Die SPD in NRW : Mit Scholz, Wumms und einem Altschuldenfonds
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An einem Strang: Scholz und Walter-Borjans im Dortmunder „U“ Bild: dpa
Vor kurzem noch galt Olaf Scholz in weiten Teilen der NRW-SPD als Gottseibeiuns. Nun führt er die Partei an der Seite von Norbert Walter-Borjans in den Kommunalwahlkampf.
Und dann ist der SPD-Kanzlerkandidat einfach da. Kein Jubel, kein Applaus brandet auf, als Bundesfinanzminister Olaf Scholz in der ersten Reihe im Turm des Dortmunder „U“ Platz nimmt. „Zuhause überzeugen“, heißt die Diskussionsrunde, zu der die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten in die ehemalige Union-Brauerei direkt am Hauptbahnhof eingeladen haben. Mit der Veranstaltung in dem zum spätmodernen Kunst- und Kulturzentrum umgebauten „U“ läutet die Partei die heiße Phase des Kommunalwahlkampfs an Rhein und Ruhr ein.
Die Genossen verbinden mit der Abstimmung große Hoffnungen. Am 13. September werde in NRW „die Grundlage für die Bundestagswahl“ ein Jahr später und für die Landtagswahl im Mai 2022 gelegt, ruft der SPD-Landesvorsitzende Sebastian Hartmann dem Publikum zu. Doch eine kämpferische Stimmung will bei den coronabedingt mindestens eineinhalb Meter voneinander entfernten Genossen nicht aufkommen.
Die Ausgangsbedingungen für ein Ergebnis mit Signalwirkung sind nicht sonderlich gut. Lange schon befindet sich die SPD in ihrer ehemaligen Hochburg Nordrhein-Westfalen im Sinkflug. Bei der Kommunalwahl 2014 wurde die CDU klar stärkste Kraft. Drei Jahre später wurde dann die rot-grüne Landesregierung abgewählt. Ein fürchterliches Desaster für die SPD war die Europawahl im Mai 2019: Mit 19,2 Prozent landete die SPD in Nordrhein-Westfalen nur noch auf Platz drei hinter CDU und Grünen. In Dortmund lagen die Grünen sogar an erster Stelle.
Die Beschwörung der „Herzkammer“
SPD-Oberbürgermeisterkandidat Thomas Westphal beharrt im „U“ gleichwohl darauf, dass Dortmund – wie einst von Herbert Wehner postuliert – noch immer die „Herzkammer der Sozialdemokratie“ sei. Und die Herzkammer Dortmund werde Kraft in die SPD pumpen, verspricht er. Westphal hat als bisheriger Wirtschaftsförderer der Stadt Erfahrung mit Motivationsansprachen. Weil Dortmund auch die Stadt des BVB ist, entwirft Westphal für seine Partei noch rasch ein schönes Fußballszenario. Das gute Abschneiden der SPD Anfang des Jahres in Scholz’ politischer Heimat Hamburg sei der Steilpass gewesen. „Wir in Dortmund machen das nächste Tor, dann kann Olaf nächstes Jahr die Bundesliga gewinnen.“
Dass Wahlkämpfe für die Dortmunder Genossen Selbstläufer waren, ist lange her. Damals, als Dortmund noch Kohle-, Stahl- und mit zahlreichen Großbrauereien wie „Union“ noch Bierhauptstadt Deutschlands war, machte die überwältigende Mehrheit der Arbeiter und Angestellten ihr Kreuz selbstverständlich bei der SPD. Jahrzehntelang hieß es, die Partei könne einen Besenstiel aufstellen, sie gewinne trotzdem. Wie schwer es den Sozialdemokraten in ihrer „Herzkammer“ mittlerweile fällt, Wähler zu mobilisieren, wurde 2014 deutlich, als sich Oberbürgermeister Ullrich Sierau in der Stichwahl nur knapp gegen seine Konkurrentin von der CDU durchsetzen konnte.
Anschubhilfe können die Genossen in Dortmund also gut gebrauchen. Eine glückliche Fügung ist für sie, dass sich die Berliner Parteiführung überraschend geräuschlos auf Scholz als Kanzlerkandidaten verständigt hat. Dabei galt der Bundesfinanzminister bei der Parteilinken, den Jusos und auch in weiten Teilen der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten noch bis vor kurzem als Gottseibeiuns. Als Generalsekretär der SPD verteidigte Scholz mit unerbittlicher Verve die Agendapolitik Gerhard Schröders, die vielen Genossen mittlerweile als Anfang vom Niedergang der deutschen Sozialdemokratie gilt.