SPD-Troika : Beutefeier mit Missverständnissen
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Selbstbewusster Auftritt der Troika vor der Bundespressekonferenz: Steinbrück, Gabriel und Steinmeier Bild: dpa
Die SPD-Troika gibt sich nach dem Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen selbstbewusst. Ihr Auftritt vor der Bundespressekonferenz wirkt gleichwohl wie ein Schaulaufen: Wer eignet sich am besten als Vizekanzler für eine Neuauflage der großen Koalition?
Das letzte Wort will Peer Steinbrück haben: „Die innenpolitische Lage ist so, dass Frau Merkel uns braucht“. Punkt. Es ist der Schlusspunkt einer Bundespressekonferenz am Dienstagmorgen, in der sich die SPD-Troika einmal mehr die Ehre gab, um zumindest für einige Stunden die Nachrichtenlage zu bestimmen, bevor der neue französische Präsident Francois Hollande in Berlin eintrifft, um erstmals mit der Kanzlerin, aber nicht mit den potentiellen Kanzlerkandidaten der SPD zu reden.
Steinbrück, der Hollandes Forderung, den europäischen Fiskalpakt neu zu verhandeln, vor Wochen als „naiv“ bezeichnet hat, meint mit seiner Analyse über den Spielraum Angela Merkels den Umstand, dass diese für die Verabschiedung des Fiskalpaktes eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag benötigt.
Doch ist die innenpolitische Lage auch so, dass die Kanzlerin wohl auch nach der Bundestagswahl 2013 auf die SPD angewiesen sein dürfte, wenn sie weiterregieren will. Insofern ist der jüngste Auftritt der Troika in Berlin gewissermaßen eine Art Assessment-Workshop der SPD-Granden: Wer eignet sich am besten als Vizekanzler für eine Neuauflage der großen Koalition? Aufgabe: Lösung der europäischen Schuldenkrise. Zeit: eine Stunde. Anforderungsprofil: Statement, Frage-Antwort-Spiel.
Steinbrück geht in dieses Schaulaufen mit einem gewissen Handicap. Eine Journalistin weißt nämlich darauf hin, dass dieser bereits ausgeschlossen habe, in ein Kabinett Merkel III einzutreten und richtet deshalb die Frage an Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier, wie beide es mit der Frage halten. Handicaps mag Steinbrück aber gar nicht, weshalb er interveniert, er habe die Frage nicht richtig verstanden, woraufhin die Journalistin erwidert, er sei ja auch gar nicht gefragt gewesen.
Auch die Antworten des Parteivorsitzenden Gabriel und des Fraktionsvorsitzenden Steinmeier fallen charakteristisch aus. Also: Schließen sie es aus? „Ja, sicher“ beginnt Gabriel, um zu relativieren: Warum solle die SPD in eine Regierung Merkel gehen, wenn man eine rot-grüne Regierung bilden wolle. Steinmeier ist generell nicht der Typ Ja-sicher, was ihm den Vorteil bietet, dass er hinterher oft nichts zu relativieren hat. So kann er auf die Frage antworten, vielleicht reife ja die Erkenntnis, dass es so - also Schwarz-Rot - nicht kommen werde. Das sagt er so leise, als sei er selbst skeptisch, dass diese Erkenntnis wirklich reifen werde.
„Merkel und Sarkozy sind gescheitert“
Eine Stunde also reden die drei über Europa und Griechenland, Schulden und Wachstum, die Kanzlerin und ihre Koalitionspartner. Wirklich Neues haben sie nicht mitzuteilen. Dennoch melden die Nachrichtenagenturen hernach, die SPD habe ihre Forderungen für eine Zustimmung zum Fiskalpakt konkretisiert. Gabriel setzt auf Attacke - „Merkel und Sarkozy sind gescheitert“ - und hält ein Konzeptpapier in die Luft, woraufhin die Fotografen losknipsen. Steinmeier erinnert an frühere deutsche Krisenbewältigungsstrategien, die neben Konsolidierung immer auch Wachstumsimpulse beinhaltet hätten und wundert sich, dass Berlin den europäischen Nachbarn nun Ratschläge erteile, die der eigenen Erfahrung widersprächen. Daraufhin nimmt er seinen Brillenbügel in den Mund, was wiederum die Fotografen stimuliert.
Steinbrück schließlich hält sich nicht lange mit Details auf und holt aus den Untiefen seines gedanklichen Zettelkastens jenen mit der Aufschrift „Europäische Erzählung“ hervor. Da er nun mit den Armen zu fuchteln beginnt, wenden sich die Fotografen reflexhaft auch ihm zu. Die Frage, wer am Ende die meisten Kameraklicks auf sich gezogen hat, bleibt unbeantwortet. Vor einem Jahr, als die Troika am selben Ort zum ersten Mal auftrat (übrigens um der Kanzlerin in der Europapolitik auch für den Fall ihre parlamentarische Unterstützung anzubieten, dass ihr eine eigene Mehrheit fehlt), führte noch ein Mitarbeiter eines der Troikaner eine Strichliste darüber, an wen die meisten Fragen gerichtet wurden.
„Rot-grüne Projekt“
Nach dem Auftritt im großen Saal der Bundespressekonferenz kommt es noch zu einer kleinen Zugabe am Treppenabsatz im Foyer: Ein Journalist wendet sich an Gabriel. Warum dieser nun, nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen wieder vom rot-grünen Projekt rede? Nach der Abgeordnetenhauswahl in Berlin habe er doch noch vor „Überhöhungen“ dieser Art gewarnt. Der Parteivorsitzende, nun leicht pampig: „Ein rot-grünes Projekt ist etwas anderes als das rot-grüne Projekt“. Man möge ihn doch bitte korrekt zitieren, er habe sich seinerzeit gegen die Vorstellung eines Generationenprojektes gewandt, nicht gegen ein politisches Projekt.
Kurze Zeit später betritt Jürgen Trittin die Bundespressekonferenz, um die Steinbrück-Biografie des Journalisten Daniel Friedrich Sturm vorzustellen. Bei der Lektüre des Buches hat der Ober-Grüne erfahren, dass Steinbrück in seiner Studenten-WG einmal eine Polizeirazzia über sich ergehen lassen musste („Einer weckt Dich, hält Dir die Heckler-Koch an den Kopf, das vergisst du nie“). Nachbarn, die kurz nach einem Banküberfall in der Nähe eine „Beutefeier“ witterten, hatten die Beamten gerufen.
Trittin spielt auf die Anekdote an: Was sei eigentlich der Unterschied zwischen den Grünen jener Tage und dem Studenten Steinbrück? Dass die Polizeirazzia bei ihm auf einem Missverständnis beruht habe. Trittin sagt übrigens über Rot-Grün: „Koalitionen beruhen darauf, dass Parteien sich auf Zeit verbünden, die vorher Konkurrenten waren.“