SPD : Quatsch kommt von quatschen
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Andrea Nahles wird in der Parteiführung nur geduldet Bild: dpa
Was könnte Sigmar Gabriel im Sinn haben, wenn er angeblich die Leitung des Wahlkampfs für sich beansprucht? Andrea Nahles zu schaden hat er nicht nötig.
Manchmal ist im politischen Geschäft ein Dementi mindestens so interessant wie die ihm zugrunde liegende Nachricht. Die Zeitung „Bild am Sonntag“ berichtete am Wochenende über ein Strategietreffen der SPD-Führung Anfang Dezember im Willy-Brandt-Haus, in dem der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel ohne vorherige Rücksprache mit seiner Generalsekretärin Andrea Nahles angekündigt haben soll, er werde 2013 den Bundestagswahlkampf leiten. Daraus schloss das Blatt: Gabriel entmachte Frau Nahles.
Diese wiederum verwies in ihrem vermeintlichen Dementi nicht etwa auf die Satzung ihrer Partei und auch nicht auf ihr „Mission-Statement“ auf der SPD-Website, in dem sie „die Organisation politischer Kampagnen und Wahlkämpfe“ ihre Hauptaufgabe nennt, sondern sagte einerseits, die Meldung sei falsch, aber andererseits: „Es ist keine Entscheidung gefallen.“ Das klingt kleinlaut und mag damit zusammenhängen, dass ihr auf dem Bundesparteitag bei ihrer Wiederwahl nur deshalb eine Schmach erspart blieb, weil die Parteirechte die Losung ausgegeben hatte, es gelte eine weitere Schwächung der einstigen Cheflinken zu verhindern.
Andrea Nahles, so muss man nach dem Parteitag wohl bilanzieren, wird in der SPD-Führung nur geduldet. Satzung hin oder her - egal welches Mitglied der SPD-Troika Kanzlerkandidat werden wird, Frau Nahles (und mit ihr Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug) wird sicherlich organisatorische Arbeit im Wahlkampf leisten. Die politische Kampagnenleitung wird ihr aber nicht übertragen, weil Gabriel sowie Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier ihr - in unterschiedlicher Intensität - nicht vollends vertrauen und ihr auch die Rolle nicht zutrauen.
Interessanter als die Meldung, Gabriel entmachtet Nahles, ist denn auch die Frage, warum sich Gabriel in einer solchen Runde (angeblich gab es zwei mit ähnlichem Tenor) in dieser Form äußert. Denn auch wenn Gabriels Sprecher die Angelegenheit als „Quatsch“ bezeichnet, trugen Teilnehmer der Sitzung die Botschaft schon seinerzeit in die Partei und die Fraktion.
Gabriel mag es zeitlich zupass gekommen sein, Frau Nahles - just vor dem für sie brenzligen Parteitag - zu bedeuten, er werde als Parteivorsitzender nicht nur die Grundlinien des Wahlkampfes vorgeben, sondern auch nach außen hin der Kampagnenleiter sein. Geschwächt wie sie war, konnte sie nicht einmal protestieren. Dabei war sie womöglich nicht einmal Hauptadressat der Botschaft. Grund für Gabriels Vorstoß war wohl die Erfahrung des Sommers, als der mediale Hype um Steinbrück eine Dynamik in Gang setzte, in deren Verlauf der Parteivorsitzende seine Autorität zu verlieren drohte.
Gabriel arbeitet daran, seine Position zu stärken
Seitdem arbeitete er daran, seine Position vor allem gegenüber dem seinerzeit favorisierten Troika-Mitglied demonstrativ zu stärken. In diesem Sinne intonierte Gabriel auch auf dem Parteitag: Er werde einen Vorschlag machen, wer „aus meiner Sicht“ antreten solle, dann entscheide die Partei - und nicht die Medien. Mit Teilen dieser vor allem in Hamburg beheimateten Medien hatte Steinbrück zwischenzeitlich nämlich kaum verhohlen Fakten schaffen wollen. Dem Eindruck musste Gabriel entgegentreten, ganz gleich, ob er selbst die Kanzlerkandidatur anstrebt oder nicht.
Sollte er selbst der Kandidat werden, weil er sieht, dass die SPD trotz seiner mangelnden Beliebtheit in der Bevölkerung Chancen hätte, stärkste Kraft zu werden, wäre ohnehin klar, dass er die Kampagne verantwortet und das operative Geschäft ein Vertrauter übernimmt, wie früher Matthias Machnig oder Kajo Wasserhövel. Sollte Gabriel indes zu dem Ergebnis kommen, dass er seiner Partei als Kandidat eher schadet als nützt, müsste er schon den Eindruck zerstreut haben, unter einem Kandidaten Steinbrück oder Steinmeier Parteivorsitzender zu sein.
Er könnte den Fraktionsvorsitz anstreben
Umgekehrt müsste es so wirken, als sei einer der „Stones“ sein Kandidat in einer wesentlich von ihm bestimmten Kampagne, deren Kernbotschaft (Soziale Gerechtigkeit) und Strategie (Lagerwahlkampf Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb) er schon formuliert hat. So ähnlich muss das Oskar Lafontaine 1998 gesehen haben, nur machte der den Fehler, ins Kabinett einzutreten. Wohingegen heute in der Partei damit gerechnet wird, dass Gabriel im Falle eines Verzichts auf die Kanzlerkandidatur den Fraktionsvorsitz anstrebt, um dann eine künftige Bundesregierung, die nach derzeitigem Ermessen eher schwarz-rot als rot-grün aussehen und eher nicht von einem sozialdemokratischen Kanzler angeführt werden dürfte, von außen anzutreiben.
Ganz gleich, wie sich Gabriel entscheidet, sein Interesse ist es, die K-Frage so lange wie möglich offen zu halten. Im Sommer soll ihn die Angst getrieben haben, Steinmeier könnte sich womöglich selbst aus dem Rennen nehmen. Dann wäre die Inszenierung einer harmonischen Troika dahin gewesen, es wäre das Bild eines Duells entstanden. Nach dem Parteitag, der gefeierten Rede Gabriels und dem kühlen Empfang für Steinbrück, hat sich die Arithmetik der Troika abermals verändert. Muss nun der vor neuer Kraft strotzende Gabriel fürchten, dass sich Steinbrück irgendwann aus dem Rennen nimmt? Steinmeier wiederum scheint geduldig zu beobachten, was die anderen beiden so treiben.