Interview mit Karamba Diaby : „Ostbashing kann ich nicht nachvollziehen“
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Karamba Diaby mit seinem Wahlkampfplakat in Halle Bild: AFP
Im neuen deutschen Bundestag sitzt genau ein schwarzer Parlamentarier, und der kommt ausgerechnet aus dem ostdeutschen Halle. Im Gespräch mit FAZ.NET erklärt Karamba Diaby (SPD), was die Westdeutschen am Osten nicht so recht verstehen.
Karamba Diaby ist schwarz, im Senegal aufgewachsen und damit auch im Jahr 2017 noch eine absolute Rarität im Bundestag. Entsandt hat ihn keine linksliberale Studentenstadt, sondern die ostdeutsche Stadt Halle an der Saale. Diaby hat für die SPD dort ein deutlich besseres Ergebnis eingefahren, als die Partei im Rest Sachsen-Anhalts, und das mag so gar nicht zu dem Bild des fremdenfeindlichen Ostdeutschen passen, das nicht erst seit der Wahl grassiert. Diaby kommt gut gelaunt in ein Café am Hallenser Marktplatz, lässt sich in einen tiefen, roten Sessel fallen, der so wunderbar nach DDR aussieht, und will mit einem Missverständnis aufräumen: Nein, der Osten ist nicht fremdenfeindlich.
Herr Diaby, im Jahr 2013, bevor Sie zum ersten Mal in den Bundestag einzogen, haben Sie dem Magazin „Der Spiegel“ ein Interview gegeben. Der Journalist wunderte sich damals sehr über einen Schwarzen, der im braunen Osten zur Wahl antritt. Später haben Sie sich öffentlich über den Artikel, der daraus entstanden ist, geärgert – wieso?
Ja, ich erinnere mich gut. „Das Experiment“ hieß der Artikel, was ich schon etwas seltsam fand. Dann stimmten die Fakten auch nicht ganz: Der Journalist hat geschrieben, Halle sei eine Hochburg der Rechtsradikalen, weil die NPD in manchen Stadtteilen zehn Prozent geholt hat. Das bezog sich auf ein Wahllokal, und er hat das auf die ganze Stadt übertragen. Das hat mich extrem geärgert, weil Halle eine weltoffene und tolerante Stadt ist. Einer der ersten in Afrika geborenen Menschen, der in Deutschland studiert hat, Anton Wilhelm Ano, war an der Uni Halle, wir haben viele internationale Einrichtungen, Händel kommt aus Halle.
Stimmt alles, trotzdem haben die Sachsen-Anhalter zu 20 Prozent die AfD gewählt. Können Sie nicht verstehen, dass Leute sich über Ihren Wahlerfolg wundern?
Das Ergebnis der AfD ist sehr bitter, aber ich sehe da keinen wirklichen Widerspruch zu meinem eigenen Wahlerfolg. Schauen Sie, in Halle haben mich, einen Schwarzen, 32.000 Menschen gewählt. Das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es falsch ist, die ostdeutsche Gesellschaft unter Generalverdacht zu stellen. Dieses Ostbashing kann ich einfach nicht nachvollziehen. Die Leute hier sind definitiv nicht fremdenfeindlich, zumindest nicht mehr als im Westen.
Westdeutsche Zeitungen schreiben trotzdem häufig mit Verwunderung über Ihre Geschichte. Was verstehen wir im Westen denn nicht?
Ich glaube, im Westen machen es sich viele Leute ein wenig einfach. Sie sehen, dass die AfD bei der Bundestagswahl in Sachsen die stärkste Partei geworden ist oder dass 24 Prozent bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt AfD gewählt haben. Und dann denken die sich: Wow, der Osten ist vielleicht rechts! Aber es ist komplexer. Die meisten Leute haben die AfD aus Enttäuschung gewählt und nicht wegen, sondern trotz ihres Rechtspopulismus.
Also ist alles nur ein großes Missverständnis?
Ich denke jedenfalls, dass die Mehrheit der Leute, die die AfD gewählt haben, nicht fremdenfeindlich ist.
Das müssen Sie erklären.
Ich habe im Wahlkampf viele Leute getroffen, die die AfD wählen wollten. Die haben mich nicht angepöbelt, weil ich schwarz bin, und das waren auch keine Rassisten. Die hatten andere Probleme, die haben über die Rentenangleichung geklagt, und dass sie nach 40 Jahren Arbeit kein ordentliches Gehalt bekommen, und das kann ich gut verstehen. Diese Leute spüren die Ungerechtigkeit.
Dann ist die AfD also die Gerechtigkeitspartei und nicht die SPD?
Nein, damit wir uns jetzt hier nicht falsch verstehen: Was ich gesagt habe, gilt ganz bestimmt nicht für die Parteiführung. Die hat Dinge gesagt, die ich noch nicht mal wiederholen will, so abscheulich finde ich sie. Ich will damit eher sagen, dass es einen Unterschied zwischen der Partei und ihren Wählern gibt.
Wie lange dauert es noch, bis auch die Wähler den Unterschied bemerken?
Das ist unsere Aufgabe als Politiker. Wir müssen auf die Leute zugehen. Nicht nur, aber besonders auch hier im Osten.
Und warum denken Sie, als Ostdeutscher… Darf ich Sie so nennen?