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Streit in der SPD : Affront mit Ansage

SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl Bild: dpa

Die SPD nominiert Eva Högl als neue Wehrbeauftragte. Sie hatte bisher so gut wie nichts mit der Bundeswehr zu tun. Oppositionspolitiker sind empört. Und ihr Vorgänger kritisiert seine Abberufung.

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          Nach monatelangem Zaudern will die SPD nun die Bundestagsabgeordnete Eva Högl als neue Wehrbeauftragte vorschlagen. Die Rechtspolitikerin aus dem linken Berliner Landesverband hatte bisher so gut wie nichts mit der Bundeswehr zu tun. Sie soll den bisherigen Wehrbeauftragten Peter Bartels ablösen, einen allseits respektierten Sozialdemokraten, der sein Amt gerne fortgeführt hätte. So berichtete es am Mittwoch zunächst die „Süddeutsche Zeitung“, später bestätigte ein Sprecher der SPD-Fraktion die Nachricht.

          Peter Carstens
          Politischer Korrespondent in Berlin

          Auftrag des Wehrbeauftragten ist es, für den Bundestag Obmann und Anwalt der Soldatinnen und Soldaten bei ihren Sorgen zu sein. Dazu zählen persönliche und fachliche Belange ebenso wie strukturelle Fragen der Streitkräfte. Ebenso wie seine unmittelbaren Vorgänger hatte auch der amtierende Wehrbeauftragte Bartels langjährige parlamentarische Expertise im Umgang mit der Bundeswehr.

          Anders als der derzeitige Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich zählte Bartels allerdings nie zu den pazifistisch gesinnten Mitgliedern seiner früheren Fraktion. Zudem hatte sich Bartels, auch wegen seiner Frau, einer bekannten Lokalpolitikerin in Schleswig-Holstein, mit der dortigen Partei stark auseinandergelebt. Fachliche Gründe für seine Ablösung sind nicht erkennbar.

          FDP-Politikerin unterstellt Högl Inkompetenz

          Lange hatte es geheißen, der einflussreiche und trickreiche SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs strebe nach dem Posten. Weiterhin hieß es, Mützenich habe Kahrs deswegen favorisiert, weil der Chef der konservativen Abgeordnetengruppe „Seeheimer“ ihn, den Parteilinken, bei seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden unterstützt habe, was Mützenich dementieren ließ. Gegen solche Parteigeschäfte hatte sich bereits frühzeitig die Union positioniert, die zugleich bereit war, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul, eine Wiederwahl von Bartels uneingeschränkt zu unterstützen.

          Versteht Eva Högl die Belange von Soldaten wie dieser beiden Kampfschwimmer? Die Opposition hat ihre Zweifel.
          Versteht Eva Högl die Belange von Soldaten wie dieser beiden Kampfschwimmer? Die Opposition hat ihre Zweifel. : Bild: dpa

          Dass die Wahl nun auf Högl fallen soll, löste bei der Opposition teilweise Empörung aus. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach von einem „Affront gegen die Soldatinnen und Soldaten.“ Der Rechtspolitikerin Högl unterstellte sie Inkompetenz und sagte: „Frau Högl hat mit der Bundeswehr so viel zu tun wie ich mit dem Mäusemelken.“

          Strack-Zimmermann warf SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vor,die Bundeswehr mit der  Nominierung von Högl bewusst schwächen zu wollen. Sie sagte: „Jetzt jemanden zu nehmen, der von der Materie keine Ahnung hat, zeigt einfach, dass Herr Mützenich null Bock auf die Institution Bundeswehr hat.“

          Der noch bis Ende Mai im Amt befindliche Bartels war über Monate von seiner Partei im Unklaren gelassen worden und hatte von Kahrs möglichen Ambitionen dadurch erfahren, dass in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im vorigen Dezember plötzlich Stellen für sein Haus geschaffen worden waren, um die er nie gebeten hatte. In einem Brief an die Fraktion äußerte Bartels auf vornehme weise seine Empörung über den Vorgang. Er sei, so schrieb er nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP „ein bisschen unfroh“ über die Ergebnis und Art der Entscheidungsfindung.

          „Ihr Interesse an Soldaten sollte sie nun darlegen“

          „Warum die Partei jetzt dieses wichtige, unabhängige Amt, das als Teil der parlamentarischen Kontrolle unseres Militärs im Grundgesetz verankert ist, gerne durch eine neue SPD-Kandidatin besetzen will, erschließt sich nicht sofort.“ Die Antwort lautet aber wohl: Weil der frühere Vorsitzende des Verteidigungsausschusses aus ideologischen und persönlichen Gründen unerwünscht geworden ist.

          Högl hingegen gilt schon seit längerem als dringende Kandidatin für ein Amt. Sie wurde als Justizministerin gehandelt, ehe dann mit Franziska Giffey eine andere Berliner Politikerin ins Kabinett kam. In der Bundespartei ist der notorisch linke und zuletzt erfolglose Landesverband nicht gut gelitten, obgleich Högl selbst als Innen- und Rechtspolitikerin Ansehen genießt. Mützenich attestierte ihr denn angeblich auch „langjährige parlamentarische Erfahrung und breite Expertise“, was sich jedoch nicht auf die Bundeswehr beziehen kann.

          Als Abgeordnete hat Högl sich vor allem in Untersuchungsausschüssen zur Terrorgruppe Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) einen Namen gemacht. Die studierte Juristin und frühere Mitarbeiterin im Arbeitsministerium ist derzeit stellvertretende Fraktionsvorsitzende und zuständig für Innenpolitik, Recht, aber auch Sport und Kultur.

          Ob sie tatsächlich in der kommenden Sitzungswoche als „Anwältin der Soldaten“ für fünf Jahre gewählt wird, hängt auch von der Union ab, die sich zu dem überraschenden Personalvorschlag zunächst zurückhaltend äußerte. Wadephul sagte, sie sei „eine erfahrene Parlamentarierin, die sich über Fraktionsgrenzen hinaus Anerkennung verschafft hat“. Sie könne sicher eine Behörde leiten. „Ihr Interesse an und Nähe zu den Soldatinnen und Soldaten sollte sie nun darlegen.“

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