Echter Neustart bei der SPD? : Ein Hauch von Harmonie
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Immer schön lächeln: Scholz, Nahles und Schulz nach einer Regionalkonferenz am Samstag in Hamburg Bild: dpa
Die SPD gibt sich auf ihren Regionalkonferenzen Mühe, Einigkeit zu demonstrieren. Die Basis soll sagen dürfen, wo es nach dem Debakel bei der Bundestagswahl hingehen soll.
Die SPD liegt am Boden, und ausgerechnet hier, in Leipzig, soll sie wieder aufstehen. Wer glaubt, die 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl seien eine Katastrophe, muss nach Sachsen schauen. Da hat die Partei bei der vergangenen Landtagswahl vor drei Jahren 12,4 Prozent geholt. Seither regiert sie in einer großen Koalition mit, die eigentlich gar nicht so heißen dürfte. Sie hätten hier einen gebraucht, der die Partei mitreißt, der Aufbruch versprüht. Einen Messias. Einen wie Martin Schulz. Das Problem ist nur: Martin Schulz ist kein Messias mehr. Nicht in Leipzig, nicht in Berlin. Er ist der gescheiterte Kanzlerkandidat, der nun versucht, Parteivorsitzender zu bleiben. Und der, so sagt er es immer wieder, die Partei erneuern will. So lautet auch das Hashtag, #SPDerneuern, das nun überall im Netz rumfliegt und auch auf den Kapuzenpullis der Männer und Frauen zu lesen ist, die am Sonntag am Eingang des Westbads in Leipzig stehen. In der ehemaligen Badehalle, wo viele Leipziger das Schwimmen lernten, wird Schulz sich ihren Kommentaren stellen. Dialogforum nennt die SPD das.
Es soll eine ehrliche Aussprache werden, das hat der Parteivorsitzende versprochen. Schulz, so sagen es innerparteiliche Unterstützer wie Kritiker, sei an der Basis beliebt. Diese acht Regionalkonferenzen, die am Samstag ihren Anfang in Hamburg nahmen, sollen Schulz also auch vor dem SPD-Bundesparteitag im Dezember, wo er sich zur Wiederwahl stellen will, eine Stütze sein. Eine Woge der Zustimmung, getragen von vielen Männern und Frauen an der Basis.
„Das darf nicht nur Pädagogik sein“
Bisher wurden die Entscheidungen in der Mitmachpartei SPD hinter geschlossenen Türen getroffen. Schulz wird Kanzlerkandidat, Sigmar Gabriel Außenminister. Jetzt, nach der Pleite, stehen Parteispitze und Basis sich gegenüber, Auge in Auge. Alle SPD-Mitglieder sind ins Westbad eingeladen, etwa 400 sind wohl gekommen. Die Presse muss vor der Saaltür bleiben. Nichts soll nach draußen dringen. Aber der Unmut, die Enttäuschung, auch die letzte Hoffnung drängen schon vor der Tür aus den Mitgliedern. „Die SPD hier ist tiefer als tief“, sagt ein Mann, Mitte dreißig, dunkler Bart. Vor drei Jahren ist er der SPD beigetreten. Als Schulz Kanzlerkandidat wurde, machte er zu Hause einen Sekt auf. Der Korken knallte. „Ich habe echt daran geglaubt, ich dachte, Schulz kann es werden“, sagt der Mann. Er bekommt, wie alle, die an diesem Vormittag ins Westbad gekommen sind, einen Zettel in die Hand gedrückt. Was findest du positiv am Bundestagswahlkampf, was negativ? Natürlich wird geduzt, von Genosse zu Genosse. Auf jeden Fall soll Schulz bleiben, sagt der Mann. So sagen es hier die meisten. Wo aber war dann der Fehler?
Es gibt ein Grummeln, nicht unbedingt an der Basis, aber bei vielen, die Verantwortung in der Partei tragen. Die SPD sei zu unbeweglich, zu chaotisch. Die ersten Tage und Wochen nach der Wahl gab die Partei kein gutes Bild ab, so sieht es auch Schulz. Er traf Personalentscheidungen, die für Verstimmung sorgten, verlor eine Bundesgeschäftsführerin, setzte viele Männer und „Seeheimer“, die Konservativen in der SPD, auf die wenig verbliebenen einflussreichen Posten. Die Parteilinke ärgerte sich, die Frauen protestierten. Und dann sorgte plötzlich ein Strategiepapier aus dem Norden für Aufsehen. Es gibt also offenbar großen Redebedarf. „Das darf nicht nur Pädagogik sein“, sagt der sächsische SPD-Vorsitzende Martin Dulig mit Blick auf die Regionalkonferenzen. Es muss etwas passieren.