Das Scheitern der SPD : Schrumpfen Seit an Seit
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Da hatte die SPD ihre große Zeit noch vor sich: Plakate zur Bundestagswahl 1969 in Bonn Bild: Picture-Alliance
Die SPD steht vor schweren Rückschlägen. Sigmar Gabriel versucht verzweifelt, den Laden zusammen zu halten. Ist das die Verzwergung einer Volkspartei?
Sigmar Gabriel hat seiner Partei einmal den Rat gegeben, sie müsse dahin gehen, wo es laut ist, wo es brodelt, wo es riecht, gelegentlich auch stinkt. Und da dieser Rat natürlich auch für den Vorsitzenden selbst gilt, ist er an diesem Nachmittag nach Rastatt gekommen.
In ein Cafe hat der SPD-Kreisverband den Vizekanzler geladen. Der Vorteil an Cafes ist, dass sie schon bei einigen Dutzend Besuchern bis zum Anschlag gefüllt sind. An den Tischen vor dem wackligen Rednerpult ist kein Platz mehr frei, eng gedrängt stehen die SPD-Mitglieder und Anhänger in den Gängen dazwischen. Es ist heiß, und wenn es auch nicht stinkt, so riecht es aber doch intensiv nach schwerem Parfüm und abgestandener Luft. Als Gabriel endlich kommt, wird es laut, mit donnerndem Applaus wird er empfangen. Allein: Brodeln tut es nicht.
„Ich bin Sozialdemokrat, ich glaube ans Gute“
In Baden-Württemberg wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt, ebenso wie in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt. Die Umfragen sind für die SPD seit Wochen mies. In Rastatt tut das der Stimmung keinen Abbruch. Gabriel sagt: „Ihr klatscht schon, bevor ich was gesagt habe“, und das Publikum freut sich. Gabriel macht Sprüche über den Finanzminister („Der Wolfgang Schäuble ist ein knorriger Mann, das ist so“) und das Publikum schmunzelt. Er erzählt, dass er den Satz „Für die (Flüchtlinge) macht ihr alles, für uns macht ihr nix“ immer wieder höre und gefährlich finde und dass man aufpassen müsse, nicht all zu viele Beispiele zu schaffen, „wo der Satz stimmen könnte“. Da wird im Publikum genickt. Er sagt: „Ich bin Sozialdemokrat, ich glaube ans Gute“. Da gibt es Applaus.
Zwar kann man aus dem Ortsverband hören, dass es auch Spannungen gibt wegen der Flüchtlingskrise – auch wenn es zuletzt besser geworden sei; dass Genossen, die eine Politik der Willkommenskultur etwas kritischer sähen, schon mal den Spruch hörten, warum man eigentlich in der SPD sei; dass kritische Mitglieder sagen, diesmal wollten sie beim Wahlkampf nicht mithelfen. Man kann aber auch den Satz von einem Lokalpolitiker hören: „Uns geht es doch gut, Arbeit haben wir alle, wen sollte das dann wirklich bekümmern?“ Von Unmut jedenfalls ist in dem Cafe nicht viel zu spüren. Aber auch im Auge eines Orkans ist es ja auffällig ruhig.
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Die Gäste sollen Fragen stellen. Gabriel sagt: „Halten Sie sich nicht zurück.“ Manchmal seien das ja so Veranstaltungen im Wahlkampf, wo man glaube, wenn ein Promi-Sozi kommt, dürfe man nichts kritisches über Flüchtlinge sagen „oder so“. Nach den ersten netten Fragen aus dem Publikum schiebt er nach: „Ich bin auch hier, um mir kritische Dinge anzuhören.“ Doch nur zwei Fragen fordern ihn ein wenig mehr. Einmal will ein junger Mann wissen, warum Gabriel den Satz „Für die tun sie alles, für uns tun sie nichts“ ausgerechnet so kurz vor den Wahlen herausgeholt habe. Als er ihn zum ersten Mal gehört habe, da habe er gedacht: „Jetzt kriegt er kalte Füße.“ Gabriel sagt, weil der Haushalt verhandelt werde, der letzte in dieser Legislatur. Darum gerade jetzt. „Weil wir jetzt entscheiden, was wir noch machen.“