Ergebnisse der Sondierungen : Deutschland antwortet auf Macron
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Die Parteichefs zeigen sich zufrieden: Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD ) bei der Vorstellung der Sondierungsergebnisse am Freitag in Berlin Bild: Bloomberg
Union und SPD wollen Europa handlungsfähig und krisenfest machen. Sie halten aber nichts von der Eurozone als exklusivem Club.
Dreieinhalb Monate musste der französische Präsident auf eine Antwort aus Berlin warten. Ende September, zwei Tage nach der Bundestagswahl, hatte Emmanuel Macron seine europapolitische Vision in einer Rede an der Sorbonne dargelegt. In Berlin wurde auf die Sondierungen verwiesen, man sei momentan nicht „sprechfähig“. Nun aber gewinnt Deutschland seine Stimme zurück.
Im Sondierungspapier, das CDU, CSU und SPD am Freitag beschlossen haben, steht Europa an erster Stelle. Das hat es bislang nicht einmal in Koalitionsverträgen gegeben. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz begründet den Vorrang im Interview mit dieser Zeitung so: „Das ist ein starkes Signal. Wir bekennen uns nicht nur im Grundsatz zu Europa, sondern machen konkrete Vorschläge, die in einen europäischen Mindestlohn und Vereinbarungen über Mindeststandards für die sozialen Sicherungen münden.“ Schulz schränkt freilich ein: „Ich teile nicht jeden der Vorschläge von Macron.“
Das betrifft vor allem die Frage, wo Reformen in Europa ansetzen sollen. Macron hatte im Wahlkampf immer die Eurozone in den Mittelpunkt gestellt. Er wollte sie mit einem eigenen Haushalt ausstatten – neben dem EU-Haushalt. Ein mächtiger Euro-Finanzminister sollte die Mittel verteilen. Diese Gedanken finden sich auch noch in seiner Rede an der Sorbonne. Da setzte er sie aber nicht an die erste Stelle und sprach insgesamt mehr über die Europäische Union. Dafür hatte Merkel in einem Telefonat mit Macron gesorgt.
Die Lehre aus den Krisen
Die Kanzlerin hat heute mehr als früher die EU als Ganzes im Blick. Sie will keine neuen Spaltungen, und sie erkennt die Grenzen einer Politik, die vor allem auf die Zusammenarbeit der nationalen Regierungen setzt. Das ist ihre Lehre aus der Schulden- und Flüchtlingskrise.
Im Ergebnis der Sondierungen stehen deshalb die Gemeinschaftsinstitutionen im Mittelpunkt. „Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann“, heißt es. Ausdrücklich bekennen sich die Partner zu „höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt“. Hier geht es um mehrere Milliarden Euro zusätzlich im Jahr.
Sie werden zum einen nötig, weil mit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs der zweitgrößte Nettozahler wegfällt. Zum anderen muss die Union neue Aufgaben im Grenzschutz, bei Verteidigung und Digitalisierung bewältigen. In der mittelfristigen Finanzplanung, die Haushaltskommissar Oettinger gerade erarbeitet, wird die Kommission Ausgaben vorsehen, die bis an die zulässige Obergrenze von 1,2 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung gehen. Das sind rund 160 Milliarden Euro. Ohne das klare Signal aus Berlin wäre dies nicht möglich.
Aber wie soll das Geld eingesetzt werden? Auch dazu finden sich Hinweise. So soll es künftig Mittel geben, um die „wirtschaftliche Stabilisierung“ zu fördern. Dieses Anliegen ist auch Macron wichtig. Die Eurozone soll besser in der Lage sein, wirtschaftliche Schocks abzufedern. Das könnte etwa nötig werden, wenn der Brexit einige Mitgliedsländer unverhältnismäßig hart trifft, zum Beispiel Irland, das wirtschaftlich sehr eng mit dem Vereinigten Königreich verknüpft ist.