https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/sind-menschen-mit-migrationshintergrund-treiber-der-pandemie-17314887.html
Bildbeschreibung einblenden

Corona bei Migranten : Eine Frage der (sozialen) Herkunft

Enge Wohnverhältnisse: Im Göttinger Iduna Park kam es im Juni 2020 zu einem Corona-Ausbruch. Bild: Daniel Pilar

In den Kliniken werden viele Menschen mit Migrationshintergrund behandelt. Eine Landrätin schlägt Alarm: Sie seien Treiber der Pandemie, weil sie die Regeln ignorierten. Forscher verweisen eher auf den schwierigen sozialen Hintergrund.

          7 Min.

          Das Städtchen Kirn, am Fuße des Hunsrücks gelegen, hat sich in den vergangenen Tagen zu einem Corona-Hotspot entwickelt. Bei etwa 700 lag die Inzidenz zuletzt. Mehrere Schulen sowie eine Kita mussten aufgrund von Covid-19-Ausbrüchen schließen. Im Zentrum stand dabei eine Baptistengemeinde, unter deren Mitgliedern viele Deutschrussen sind. Mindestens 25 von ihnen waren zuletzt infiziert. Insgesamt haben unter den Infizierten in Kirn sowie in der nahe gelegenen Stadt Bad Kreuznach nach Darstellung der Landrätin Bettina Dickes (CDU) rund drei Viertel einen Migrationshintergrund.

          Rüdiger Soldt
          Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.
          Julian Staib
          Politischer Korrespondent für Norddeutschland und Skandinavien mit Sitz in Hamburg.
          Matthias Wyssuwa
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Seit langem wird über die Frage diskutiert, ob Menschen mit Migrationsgeschichte stärker von der Pandemie betroffen sind. Es gibt eine Reihe von Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und dem Risiko, an Covid-19 zu erkranken, belegen. In Amerika etwa sind Minderheiten wie Schwarze und Latinos besonders betroffen. In Deutschland ist die Lage etwas komplizierter, die Diskussion oft eher anekdotisch. Groß ist die Angst vor falschen Schlüssen, vor schlichter Stigmatisierung. Und oft ist nicht einmal klar, wer von den Betroffenen überhaupt einen Migrationshintergrund hat – denn auch dazu fehlen meist Daten. Sogar von einem „Tabuthema“ war die Rede. Dabei hatte schon im August vergangenen Jahres der Darmstädter Intensivmediziner Cihan Celik in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung darauf hingewiesen, dass viele seiner Patienten einen Migrationshintergrund hätten.

          Außer dem Migrationshintergrund hätten viele eines gemeinsam, sagte er: dass sie aus sozioökonomisch schwachen Verhältnissen kämen, in prekären Verhältnissen arbeiteten oder in kleinen Wohnungen mit vielen anderen zusammenlebten. Auch die Sprache sei ein Problem. Und wenn man jetzt, in der dritten Welle, mit Ärzten spricht und in Kliniken nachfragt, wird oft wieder ein Zusammenhang zwischen Infektion und Armut beschrieben. Wo die Lebensumstände schwieriger sind, ist auch ein Schutz vor einer Infektion schwieriger. Alles ist miteinander verwoben. Aber was bedeutet das für den Kampf gegen die Pandemie?

          Zusammenhang zwischen Infektion und Armut

          Weil der Migrationshintergrund bei der Aufnahme von Patienten aus guten Gründen nicht erfasst wird, gibt es kaum zuverlässige Daten über die Ansteckungshäufigkeit und auch die Schwere des Verlaufs. Belegt ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger schlecht bezahlte Jobs haben und auch als Pflege- oder Reinigungskräfte in Krankenhäusern einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Im vergangenen Herbst ging der Landrat des baden-württembergischen Landkreises Esslingen, Heinz Eininger (CDU), der Sache mal auf den Grund: Er ließ anhand der Vornamen von Personen, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten, ermitteln, wie hoch der Anteil der Infizierten mit Migrationshintergrund sein könnte.

          Er schloss zum Beispiel aus dem Namen Zoltan auf eine Einwandererbiographie. Das ist natürlich dünnes Eis, auf das man sich da begibt. Das Ergebnis lautete: Während in der ersten Pandemie-Welle der Anteil der Infizierten mit Migrationshintergrund 14 Prozent betrug, lag er in der zweiten Welle Anfang Oktober bei 59 Prozent. In dem Landkreis haben Bürger aus Einwandererfamilien aber nur einen Anteil von 27 Prozent.

          Weitere Themen

          Ästhetiken der Verwaltung

          Lea Sonderegger : Ästhetiken der Verwaltung

          In ihrem künstlerischen Langzeitprojekt „norm“ dokumentiert die österreichische Fotografin Lea Sonderegger Verwaltungseinrichtungen der Stadt Wien.

          Topmeldungen

          Krieg gegen die Ukraine : Die Kämpfe werden heftiger

          Im Donbass wird nach Angaben des ukrainischen Militärs „um jeden Quadratmeter“ gekämpft. Es mehren sich Berichte, dass Russland Hilfe für die Menschen im besetzten Teil des Flutgebiets behindert.

          Nach Vorwürfen gegen Lindemann : Wer ist Alena Makeeva?

          „Böse Fee“ oder „Rammstein-Russin“: Alena Makeeva wird in den Medien zur Schlüsselfigur inszeniert. Wo befindet sie sich nun – und wie ist ihr Verhältnis zu Lindemann?
          Aus der Traum vom Finale: Alexander Zverev während des Spiels gegen Casper Ruud in Paris am Freitag

          Halbfinal-Aus gegen Ruud : Zverev fehlt die Energie

          Im Halbfinale der French Open spielt Alexander Zverev nicht schlecht – aber Casper Ruud spielt besser. Nach gut zwei Stunden ist der Traum vom Finale für Zverev aus. Dort trifft Ruud am Sonntag auf Novak Djokovic.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.