Verfassungsschutz : Seehofer schickt Maaßen in einstweiligen Ruhestand
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Hans-Georg Maaßen und Horst Seehofer Bild: dpa
Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen wird doch nicht ins Innenministerium versetzt. Das Kabinett soll über die Neuaufstellung der Amtsspitze entscheiden. Indes macht der AfD-Vorsitzende Meuthen Maaßen ein Angebot.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) möchte den umstrittenen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen. Darum habe er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) gebeten, sagte Seehofer am Montag in Berlin.
Hintergrund der Entscheidung ist Maaßens Rede vor europäischen Geheimdienstchefs am 18. Oktober in Warschau, in der er von „linksradikalen Kräften in der SPD“ gesprochen hatte. Seine Äußerungen zu den Vorfällen in Chemnitz im August seien für diese Kräfte willkommener Anlass gewesen, einen Bruch der großen Koalition zu provozieren, sagte Maaßen dort.
„Menschlich ein Stück weit enttäuscht“
Seehofer begründete seine Entscheidung am Montag so: „Wenn eine politisch abgeschlossene Angelegenheit von dem Betroffenen so weitergeführt wird, und dabei auch Formulierungen verwendet werden, die nicht zu akzeptieren sind, dann muss ich handeln.“ Die Situation sei nun eine andere als noch vor ein paar Wochen, so der Innenminister. Damals hatte Seehofer sich noch hinter Maaßen gestellt. Am Freitag habe er aber von dem Redetext erfahren, ihn am Wochenende verifiziert, bewertet und nun eine Entscheidung getroffen.
Konkret gestört an Maaßens Rede hätten ihn drei Dinge: Zum einen habe Maaßen im Innenausschuss das Interview mit der „Bild“-Zeitung sowie dessen Interpretation mehrmals bedauert, seine Aussagen, es habe in Chemnitz keine Hetzjagd gegeben, in der Rede jetzt aber wiederholt. Zweitens sei es „nicht akzeptabel“, von „linksradikalen Kräften in der SPD“ zu sprechen. Drittens sei mit der Beschreibung der Sicherheits- und Zuwanderungspolitik als „naiv und links et cetera eine Grenze überschritten“, sagte Seehofer. Natürlich sei er auch „menschlich ein Stück weit enttäuscht“.
Maaßens bisheriger Stellvertreter Thomas Haldenwang soll vorläufig die Aufgaben des Präsidenten übernehmen, bis zeitnah über die Nachfolge entschieden werde, hieß es weiter. Seehofer will dem Kabinett zeitnah einen Vorschlag zukommen lassen.
In Chemnitz war am 26. August ein 35 Jahre alter Deutscher mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen worden, danach kam es zu Protesten und rechtsextremistischen Übergriffen. Maaßen bezweifelte damals die Authentizität eines Videos, das eine ausländerfeindliche Attacke auf Migranten zeigt.
„Neue Qualität von Falschberichterstattung“
In dem inzwischen öffentlichen Redemanuskript Maaßens heißt es unter anderem: „Ich habe bereits viel an deutscher Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt. Dass aber Politiker und Medien ,Hetzjagden’ frei erfinden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland.“ Er habe lediglich klargestellt, dass es nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Chemnitz keine derartigen rechtsextremistischen Hetzjagden gegeben habe.
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten sich im September zunächst darauf verständigt, dass Maaßen wegen seiner umstrittenen Äußerungen als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln sollte. Nach einer Welle der Empörung beschlossen sie dann, dass der 55 Jahre alte Beamte im Innenministerium im Rang eines Abteilungsleiters für europäische und internationale Aufgaben zuständig sein sollte. Auch diese Einigung war nach den jüngsten Äußerungen Maaßens nicht mehr zu halten.
Maaßen selbst hatte in seiner Rede bereits gesagt, er könne sich auch vorstellen, außerhalb des Staatsdienstes in der Politik oder Wirtschaft tätig zu werden. Seehofer wollte diese Aussage nicht kommentieren. Ein Angebot bekam Maaßen allerdings schon von AfD-Parteichef Jörg Meuthen: „Er ist ein Spitzenbeamter, der hohem Arbeitsethos verpflichtet ist, und der den Mut hat, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen“, sagte Meuthen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Er würde gut in eine demokratische Rechtsstaatspartei wie die AfD passen. Wenn er ein Interesse daran haben sollte, uns beizutreten, wäre er uns natürlich herzlich willkommen.“ Zuvor hatte die AfD Maaßen bereits wiederholt in Schutz genommen.
Auch Seehofer stärker unter Druck
Wegen umstrittener Äußerungen Maaßens war auch der Druck auf Seehofer seit dem Wochenende immer weiter gewachsen. Kanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Sprecher Steffen Seibert erklären, sie gehe davon aus, dass Seehofer „zeitnah die angemessenen Entscheidungen trifft“.
Linke und Grüne begrüßten Maaßens Versetzung in den Ruhestand, kritisierten aber, dass diese zu spät erfolge. Mehrere Grünen-Politiker forderten Seehofers Rücktritt.
Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, sagte dem „Handelsblatt“, Seehofer müsse die Frage beantworten, warum er sich an den „Medienhasser Maaßen“ klammere. „Ein Spitzenbeamter mit einer fragwürdigen Haltung zum Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit hat im öffentlichen Dienst nichts mehr zu suchen“, sagte Überall.
Eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist nicht dasselbe wie eine Entlassung. Letztere wäre mit einem Verlust von Ansprüchen auf Dienstbezüge verbunden. „Entlassen kann man einen Beamten auf Lebenszeit nur durch ein Gerichtsurteil“, sagte der Verwaltungswissenschaftler Ulrich Battis der Deutschen Presse-Agentur. Diese Entscheidung könne nur ein Verwaltungsgericht treffen.
Eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand hingegen kann laut Bundesbeamtengesetz durch eine Verfügung des Bundespräsidenten erfolgen. Im einstweiligen Ruhestand hat Maaßen Anspruch auf ein Ruhegehalt. Für mindestens drei Monate wird ihm laut Deutschem Beamtenbund zunächst sein volles Gehalt weiter ausgezahlt.
Laut Beamtenversorgungsgesetz erhält ein politischer Beamter wie Maaßen für maximal drei Jahre 71,75 Prozent seines aktuellen Gehalts. Danach orientieren sich die Versorgungsansprüche an den geleisteten Dienstjahren. Derzeit verdient Maaßen als Präsident des Verfassungsschutzes gut 11.500 Euro im Monat.