Salafistische Vereinigungen : „Rächt euren Propheten, indem ihr sie tötet“
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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Bild: AP/dpa
Eine gezielte Lauschaktion führte zum Ergebnis. Vier mutmaßliche Terroristen wurden festgenommen. Der geplante Anschlag auf den Vorsitzenden von „Pro NRW“, Markus Beisicht, entsprach der Linie salafistischer Vereinigungen.
Die Ermittler aus Essen und Dortmund hatten die vier Islamisten schon lange im Blick. Die Fahnder waren sich sicher: Die beiden Konvertiten Marco G. und Enea B. sowie Koray D. und Tyfun S. waren seit Wochen dabei, eine schwere Straftat vorzubereiten. Was genau das Quartett plante, wussten die Ermittler jedoch nicht. Am Dienstag führte eine gezielte Lauschaktion - im Auto eines der Verdächtigen war heimlich eine Abhöreinrichtung installiert worden - zu einem Ergebnis.
Die islamistischen Extremisten waren allem Anschein nach kurz davor, einen Anschlag auf Markus Beisicht zu verüben, den Vorsitzenden der rechtsextremen Splitterpartei „Pro NRW“. Am frühen Mittwochmorgen setzte eine Spezialeinheit zwei der Islamisten in der Nähe von Beisichts Wohnort in Leverkusen fest. Einer der mutmaßlichen Terroristen wurde in Bonn festgenommen - bei ihm fand die Polizei eine Schusswaffe und Material zur Herstellung von Sprengstoff. Den vierten Verdächtigen setzten die Ermittler in Essen fest.
So kurzfristig der Zugriff auf das mutmaßliche Mord-Quartett stattfand, so langfristig war der großangelegte Schlag geplant, zu dem die Sicherheitsbehörden am Mittwoch gegen die islamistische Szene ausholten. Hunderte Polizeibeamte waren seit den frühen Morgenstunden in Hessen und Nordrhein-Westfalen im Einsatz, um Durchsuchungen bei insgesamt 20 Tatverdächtigen vorzunehmen und das von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verfügte Verbot der Vereine „DawaFFM“, „Islamische Audios“ und „An-Nusrah“ durchzusetzen.
Zwar hieß es am Mittwoch aus Sicherheitskreisen, es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Großrazzia und den Ermittlungen zum mutmaßlichen Mordanschlag auf Beisicht, die Aktionen hätten nur zufällig kurz hintereinander stattgefunden. Faktisch hängen beide Vorgänge aber zusammen.
Schwerwiegendere Folgen in Bonn
Ermittler hatten herausgefunden, dass es sich bei dem in Gladbeck ansässigen Verein „An-Nusrah“ um eine Teil- oder Nachfolgeorganisation von „Millatu Ibrahim“ handelt, die Mord an ihren Feinden predigte. Zwischen „Millatu Ibrahim“ und „Pro NRW” war es im Mai zu zwei heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Bei Demonstrationen in Solingen und Bonn hatten „Pro NRW”-Anhänger islamkritische Karikaturen in die Höhe gehalten.
In Solingen versuchten Salafisten damals eine Polizeisperre zu durchbrechen, sie traktierten Beamte mit Latten und warfen Steine. Noch schwerwiegendere Folgen hatte das Zusammentreffen der beiden extremistischen Gruppierungen in Bonn. Der aus Hessen stammende Salafist Murat K. verletzte zwei Polizisten mit einem Messer schwer. Im Internet verherrlichten Gesinnungsgenossen die Tat von Murat K. seither - und forderten zu Taten auch gegen „Pro NRW” auf.
Deckmantel einer vermeintlich missionarischen Ausrichtung
In einem Video hieß es: „So raten wir euch: Lauert und sucht einzelne Personen der ,Pro NRW‘ im Geheimdienstverfahren auf, sammelt genug Informationen über ihre Wohnorte, über ihre täglichen Routen, ihre Arbeitsplätze. Und dann nach guten und ausreichenden Recherchen und einem strategischen Plan: Schlagt zu!“ Der Zugriff, so ein gewisser „Abu Ibrahim“ weiter, solle am besten im Schutz der Dunkelheit oder im Morgengrauen stattfinden. „Und dabei ist zu bevorzugen dass ihr sie tötet, dass ihr euren Propheten rächt, indem ihr sie tötet.“
Der Verein „Millatu Ibrahim“ hatte in ganz Deutschland zum aktiven Kampf gegen die verfassungsgemäße Ordnung aufgerufen. Betrieben wurde die Organisation von dem Österreicher Mohamed Mahoud, der seit 2011 in Deutschland lebte. „Unter dem Deckmantel einer vermeintlich missionarischen Ausrichtung hatte ‚Millatu Ibrahim‘ der salafistisch-islamistischen Szene einen Anlaufpunkt geboten, um diese zu stärken und zu radikalisieren“, heißt es in einer Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums.
„Diese Strömung ist in einer radikalen Weise religiös“
Zwar haben die Sicherheitsbehörden die Salafistenszene seit langem fest im Blick. Doch trotz des intensiven Vorgehens gegen radikale Salafisten nimmt ihre Zahl zu - offenbar wegen der massiven Internetprogaganda. Nach Angaben des Verfassungsschutzes hat sich ihre Zahl allein in Nordrhein-Westfalen binnen zwölf Monaten auf 1000 verdoppelt. Besonders aktiv sind Salafisten im Rhein-Ruhrraum (Aachen, Bonn, Wuppertal/Solingen, Bochum).
Der Salafismus ist eine religiöse und politische Bewegung, die nur von einer Minderheit der Muslime getragen wird. „Diese Strömung ist in einer radikalen Weise religiös, die sich stark an den Fundamenten der Religion orientiert, aber nicht von vorneherein extremistisch sein muss“, heißt es in einer Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Die Sicherheitsbehörden unterscheiden zwischen „politischem Salafismus“ (90 Prozent der Salafisten) und „dschihadistischem Salafismus“ (10 Prozent der Salafisten).
100 Personen zwischen Rhein und Weser
Zwar halten auch „politische Salafisten“ Gewalt zur Durchsetzung der eigenen religiösen Vorstellungen für legitim, doch sind sie nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden nicht als „terroristisch ausgerichtet“ zu bewerten. Der „dschihadistische Salafismus“ dagegen hält den bewaffneten Kampf für die Errichtung eines islamischen Staates für eine „islamische Pflicht“. Derzeit rechnet das nordrhein-westfälische Innenministerium 100 Personen zwischen Rhein und Weser dem „dschihadistischen Salafismus“ zu.