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Untersuchungsausschuss zum NSU : Hessens Verfassungsschutz weiter in Erklärungsnot

  • -Aktualisiert am

In diesem ehemaligen Internet-Café in Kassel wurde Halit Yozgat vom NSU ermordet. Bild: dpa

Der hessische Verfassungsschutz steht unter Verdacht, die Rolle eines Mitarbeiters bei einem NSU-Mord in Kassel verschleiert zu haben. Abgehörte Telefongespräche lassen Zweifel aufkommen.

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          Bei der Aufklärung des Kasseler NSU-Mordes gerät der Verfassungsschutz zusehends in Erklärungsnot. „Es steht der unglaubliche Verdacht im Raum, dass das hessische Landesamt für Verfassungsschutz Täterschutz betrieben haben könnte“, sagte Hermann Schaus, Obmann der Linke-Fraktion im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss, am Montag in Wiesbaden. Er reagierte damit auf einen Bericht der Zeitung „Welt am Sonntag“, wonach die Behörde mutmaßlich mehr über den Mord in einem Internetcafé wusste als bisher bekannt. Es geht dabei um abgehörte Telefongespräche des Verfassungsschützers Andreas T., der am 6. April 2006 um die Tatzeit am Tatort war und zeitweise als Verdächtiger galt.

          Timo Frasch
          Politischer Korrespondent in München.

          T. selbst hatte stets ausgesagt, er habe damals von dem Mord keine Notiz genommen. An seiner Glaubwürdigkeit gibt es allerdings massive Zweifel. Nach den Worten eines Leitenden Kriminaldirektors, der ehemals die Ermittlungen führte, hätte T. als Waffenfachmann die Schüsse hören und geradezu über den am Boden liegenden Körper des ermordeten Halit Yozgat stolpern müssen. Außerdem telefonierte T. kurz vor der Tat ausführlich mit einem V-Mann aus der rechtsextremen Szene, was insofern verwundert, als die Quelle angeblich als wenig ergiebig galt. Im Übrigen gibt es Hinweise darauf, dass T. über Täterwissen verfügt haben könnte. So sagte er gegenüber einer Kollegin, dass der Mord mit der Ceska aus der Mordserie begangen worden sei – zu einem Zeitpunkt, als die Polizei das noch gar nicht öffentlich gemacht hatte.

          Die „Welt am Sonntag“ stützt sich in ihrer Berichterstattung auf neue Beweisanträge der Nebenklage-Anwälte im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Die Anträge legen nahe, dass T. schon im Vorab genaue Kenntnis über die Mord-Pläne hatte. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Telefonat von T. mit seiner Behörde, das von der Polizei abgehört wurde, nachdem er in Verdacht geraten war. Darin bereitet der Geheimschutzbeauftragte des Verfassungsschutzes den Kollegen auf die Vernehmung durch die Polizei vor und sagt dann: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, dann bitte nicht vorbeifahren.“ Dieser Satz soll in der ursprünglichen Polizeiabschrift des Telefonats nicht enthalten sein und sich zunächst nur auf dem Originalmitschnitt befunden haben. In dem Telefonat soll der Geheimschutzbeauftragte T. allerdings auch geraten haben: „So nah wie möglich an der Wahrheit bleiben.“

          Die Nebenklage-Vertreter beantragten nach Angaben der Zeitung auch, Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) als Zeugen vorzuladen. Bouffier war 2006 noch Innenminister des Landes. In dieser Zeit verweigerte er unter anderem die Aussagegenehmigung für den V-Mann, mit dem T. am Tag der Tat telefoniert hatte. Bouffier begründete das mit dem „Wohl des Landes Hessen“.

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