RKI-Strategiepapier : Einschränkungen sollen bleiben – auch mit Impfstoff
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Berliner Herbst 2020: Menschen mit Masken an einer Straße Bild: EPA
Masken und Abstandsgebote zum Schutz gegen das Coronavirus werden die Menschen noch lange begleiten. Das werde sich auch mit einem Impfstoff zunächst nicht ändern, schreibt das Robert Koch-Institut.
Der Alltag in Deutschland muss nach Ansicht des Robert Koch-Instituts auch mit Einführung eines Corona-Impfstoffs zunächst eingeschränkt bleiben – einschließlich Maskentragen und Abstandsgeboten. Darauf weist das RKI in einem am Dienstag veröffentlichten Strategiepapier hin. Demnach werden zwar voraussichtlich im kommenden Jahr ein oder mehrere Impfstoffe zur Verfügung stehen – und die Bekämpfung des Coronavirus entscheidend verbessern.
Allerdings dürfte es ein solches Mittel zu Beginn nur in begrenzten Mengen geben und insbesondere Risikogruppen zu Gute kommen. Deshalb seien weiterhin „gewisse Modifikationen des Miteinander-Seins“ wichtig. Darunter versteht das RKI unter anderem Abstandhalten, Hygieneregeln beachten, Maske tragen, Lüften sowie die Verlegung von Freizeitaktivitäten möglichst nach draußen. „Das Verhalten jedes Einzelnen zählt“, heißt es.
Drei Szenarien für den Pandemieverlauf
Vor zwei Monaten wurde bereits ein ähnliches Papier veröffentlicht, in der eine frühere Verfügbarkeit eines Impfstoffs für möglich gehalten worden war. Dieses Papier hatte das RKI wenige Stunden später zurückgenommen, weil es sich um eine veraltete Version gehandelt habe.
In dem jetzt vorgelegten Dokument geht das Institut für die kommenden Monate von einem Pandemieverlauf aus, der durch drei Szenarien gekennzeichnet sein könnte: Zum einen Einzelfälle sowie lokal und zeitlich begrenzte Ausbrüche, die ein lokales Vorgehen erfordern. Zweitens Ausbrüche in einzelnen Settings wie Familienfeiern oder in Kitas – die könnten im Herbst und Winter verstärkt auftreten, da es beispielsweise wieder zu längeren Aufenthalten in geschlossenen Räumen kommt. Drittens eine regionale Ausbreitung, die nicht mehr auf einzelne Infektionsketten zurückgeführt werden kann und die eine Wiedereinführung von Maßnahmen für betroffene Regionen erforderlich macht.
Das RKI formuliert vor diesen Szenarien strategische Ziele: Im Vordergrund stehe, die Ausbreitung sowie die gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie zu minimieren, während das gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Leben möglichst wenig beeinträchtigt werden soll. „Wir brauchen im Umgang mit Covid-19 in den nächsten Wochen und Monaten zeitlich und regional beschränkte Maßnahmen, die an das jeweilige Risiko angepasst werden“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Eine Überlastung des Gesundheitssystems, Spätfolgen der Erkrankung und Todesfälle sollten soweit wie möglich vermieden werden, heißt es in dem Papier. Neben der Reduktion des Ansteckungsrisikos und der Verhinderung einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus nennt das Institut deshalb auch die dauerhafte Stärkung der Öffentlichen Gesundheitsdienste und des Gesundheitswesens sowie den Ausbau eine Covid-19-Versorgung im ambulanten und stationären Bereich.
„Erhöhte Mobilität bedeutet erweitertes Risiko“
Das RKI beschäftigt sich auch mit Schulen und Kitas: Bisherige Erkenntnisse zeigten klar, dass „Bildungseinrichtungen einer der Orte sind, die eine Rolle im Infektionsgeschehen haben“. Dennoch sei es wichtig, sie durch Einhalten von Hygienekonzepten weiter offen zu halten.
Mit Blick auf Reisen schreibt das RKI: „Erhöhte Mobilität (berufliche oder private Reisetätigkeit) bedeutet erweitertes Risiko.“ Allerdings hänge das Risiko nicht primär vom Ort der Reise ab, sondern wesentlich vom Verhalten des Einzelnen in einem Gebiet mit Virusübertragungen. Hinsichtlich Großveranstaltungen heißt es, dass sogenannte „Superspreading Events“ in vielen Ländern das Ausbruchsgeschehen immer wieder „dramatisch“ verschärft hätten. „Differenzierte, transparente und nachvollziehbare Vorgaben“ zur Durchführung solcher Veranstaltungen sollten deshalb mit den Verantwortlichen der Betroffenen Branchen erarbeitet werden.
Das RKI spricht sich dafür aus, insbesondere Risikogruppen breit auf Influenza und Pneumokokken zu impfen. „Für die Pandemiekontrolle der kommenden Monate spielen Impfstoffe gegen andere Atemwegserkrankungen vor allem in der kalten Jahreszeit eine entscheidende Rolle.“ Dadurch könnten Menschen geschützt und das Gesundheitssystem entlastet werden. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass es nicht ausreiche, Einzelpersonen komplett zu Hause oder im Pflegeheim abzuschirmen, um vulnerable Gruppen zu schützen: „Dieser Schutz kann nur durch eine Verantwortung der Gemeinschaft entstehen.“
Da die Erkennung Infizierter „Grundvoraussetzung“ für die Kontrolle der Pandemie sei, sollen zudem kurze Abläufe im Testbetrieb realisiert werden: So sollen die Befunde innerhalb von 24 bis 36 Stunden nach Durchführung des Test mitgeteilt werden. Über Anwendungsmöglichkeiten von zertifizierten Antigen-Test, die binnen weniger Minuten vor Ort ein Ergebnis liefern, allerdings weniger empfindlich als im Labor durchgeführte PCR-Tests sind, werde zurzeit beraten.
Merkel trifft Ministerpräsidenten im Kanzleramt
Um über die Corona-Lage zu beraten, kommen am Mittwoch erstmals seit sieben Monaten wieder die Ministerpräsidenten am Mittwoch nach Berlin zu Angela Merkel ins Bundeskanzleramt. Die Konferenz werde auf ausdrücklichen Wunsch Merkels als „physisches Präsenzformat“ abgehalten, berichtete die „Bild“-Zeitung. Ein Regierungssprecher bestätigte auf dpa-Anfrage das Vor-Ort-Treffen und kündigte an, Merkel werde danach mit dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller (SPD, Berlin), und dessen Vize, Bayerns Regierungschef Markus Söder, eine Pressekonferenz geben.
Das vorerst letzte Vor-Ort-Treffen war am 12. März gewesen, als das Herunterfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland wegen der Corona-Krise beschlossen wurde. Die „Bild“-Zeitung berichtete, Kanzleramtschef Helge Braun habe in einer Videokonferenz mit den Staatskanzleichefs die Notwendigkeit physischer Anwesenheit mit der dramatischen Infektionslage in Deutschland begründet. Man müsse eine offene Debatte führen, die „historische Dimensionen“ haben könne, wird Braun laut Teilnehmern in „Bild“ zitiert.