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Oberlandesgericht Stuttgart : Justizministerin unterliegt gegen ihre Richter

Marion Gentges (CDU), Justizministerin von Baden-Württemberg Bild: dpa

Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges wollte eine CDU-nahe Frau an der Spitze des Oberlandesgerichts durchsetzen. Doch sie scheitert mit einer Klage vor Gericht. Ihr Ansehen ist nun beschädigt.

          2 Min.

          Das Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart gehört zu den größten seiner Art in Deutschland. Mit 1000 Richtern, acht Landgerichten und 56 Amtsgerichten ist es für die Belange von sechs Millionen Bürgern zuständig. Seit Mai ist das Gericht führungslos, die Präsidentenstelle unbesetzt, was politische und rechtliche Gründe hat.

          Rüdiger Soldt
          Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.

          Politisch geht es seit Monaten um die Frage, ob das OLG künftig von einem selbstbewussten Präsidenten mit FDP-Parteibuch oder von einer loyalen CDU-nahen Präsidentin geführt werden soll. Rechtlich ging es um die Frage, wie stark die Organe der Richterselbstverwaltung sind und ob das Ministerium bei der Besetzung von Richterstellen das letzte Wort haben sollte – und nicht der Präsidialrat und der Richterwahlausschuss.

          Zur Klärung dieser Frage hatte die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) im November zur Überraschung vieler Anwälte, Richter und Staatsanwälte sowie unter Protest einiger Berufsverbände vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart geklagt. Der mit neun Richtern besetzte Präsidialrat hatte sich einstimmig gegen die von Gentges vorgeschlagene CDU-nahe Kandidatin Beate Linkenheil und für den derzeitigen Landgerichtspräsidenten Andreas Singer (FDP) ausgesprochen.

          Vorgehen stößt auf Unverständnis

          Bei einem solchen Streitfall zwischen Ministerium und Richterselbstverwaltung entscheidet laut Gesetz der Richterwahlausschuss mit Zweidrittelmehrheit. Ihm gehören acht Richter, ein Rechtsanwalt und sechs Landtagsabgeordnete an. Über eine Zweidrittelmehrheit verfügt Gentges dort nicht, deshalb hatte sie versucht, das Verfahren mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht zu stoppen. Die Richter dort gaben ihr nicht recht. Auch in der CDU und Teilen der grün-schwarzen Regierung stieß ihr Vorgehen sowie das ihres Amtschefs auf Unverständnis. Gentges hoffte auf eine Stärkung der Exekutive bei der Richterwahl.

          Es kam anders, die Ministerin zog in dieser Woche die Konsequenzen und will das Urteil vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim auch nicht mehr anfechten. „Wir wollten eine Rechtsfrage inhaltlich klären lassen, nämlich wie weit die Kompetenz des Präsidialrats reicht. Das Verwaltungsgericht hat über diese Frage nicht entschieden, weil die Klage nach Auffassung des Gerichts unzulässig war“, sagt Gentges. Das ist weniger als die halbe Wahrheit, was der Blick in den schriftlichen Beschluss des Gerichts zeigt: Das laufende Ernennungs- und Beförderungsverfahren für Richter sei, während es im Gange ist, nicht anfechtbar. Es bestehe kein Rechtsschutz. Und 1972 habe der Gesetzgeber – ausgerechnet auf Wunsch der CDU – die „Personalhoheit der Exekutive“ durch die Einführung des Richterwahlausschusses gestärkt.

          Gentges will die Vakanz am Stuttgarter OLG nun beenden. Wahrscheinlich geht das nur, wenn sie Andreas Singer nach dem Votum des Richterwahlausschusses zum Präsidenten benennt. Für das OLG Karlsruhe präferiert sie den Präsidenten des Freiburger Landgerichts, Andreas Neff. Der Präsident des Landesverfassungsgerichts, Malte Graßhoff, soll offenbar zusätzlich Präsident des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim werden.

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