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Bundesweite Razzia : Was über die Umsturzpläne der „Reichsbürger“ bekannt ist

  • Aktualisiert am

Vermummte Polizisten halten sich bei der Außenstelle des Bundesgerichtshofs (BGH) auf. Bild: dpa

Wieder hat es bundesweit Duchsuchungen im Zusammenhang mit der „Reichsbürger“-Verschwörung gegeben. Ein SEK-Beamter wurde angeschossen. Die Gruppe hatte geplant, mit Gewalt die Bundesregierung zu stürzen.

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          Innerhalb von vier Monaten gab es nun zwei bundesweite Razzien gegen eine Gruppe aus dem „Reichsbürger“-Milieu, die einen Putsch in Deutschland geplant haben soll. Mehrere Beschuldigte wurden verhaftet und zahlreiche Beweismittel beschlagnahmt. Ein Überblick.

          Was ist am Mittwoch passiert?

          Am Mittwochmorgen hat es eine weitere bundesweite Razzia im „Reichsbürger“-Milieu gegeben. Sie richtete sich gegen fünf Beschuldigte aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und der Schweiz wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe auf Anfrage mit.

          Daneben wurden die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen durchsucht, die nicht als verdächtig gelten. Bei einer dieser Durchsuchungen im baden-württembergischen Reutlingen wurde ein Beamter eines Spezialeinsatzkommandos durch einen Schuss leicht verletzt. Der Tatverdächtige wurde vorläufig festgenommen und befindet sich nun in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den festgenommenen Schützen wegen mehrfachen versuchten Mordes. Der Mann habe die Polizisten im Wohnzimmer mit einer großkalibrigen Schusswaffe erwartet, dann sei es zu einem Schusswechsel gekommen, bei dem ein Polizist am Arm getroffen wurde, teilte die Karlsruher Behörde am Mittwoch mit.

          Insgesamt habe der Generalbundesanwalt während der Razzia 20 Objekte durchsuchen lassen, teilte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter mit.

          Inwiefern hängen die neuen Durchsuchungen mit der ersten Razzia zusammen?

          Anfang Dezember hatte es eine großangelegte Anti-Terror-Razzia gegen „Reichsbürger“ in mehreren Bundesländern, Österreich und Italien gegeben. Damals waren 25 Männer und Frauen festgenommen worden. In diesem Verfahren ermittelte die Bundesanwaltschaft außerdem gegen 30 weitere Personen.

          Die neuen Durchsuchungen stehen damit im Zusammenhang. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, waren unterschriebene Verschwiegenheitserklärungen, die bei der ersten Razzia entdeckt wurden, ein wichtiger Ausgangspunkt für den Einsatz am Mittwoch. Zu den Unterzeichnern gehörten nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden mehrere Waffenbesitzer.

          Was wurde bei der Razzia gefunden?

          Übereinstimmend wurde berichtet, dass bei der „Reichsbürger“-Gruppe mehr als 90 Waffen gefunden worden seien. Darunter seien 25 sogenannte Langwaffen gewesen, also Gewehre, jedoch keine halbautomatischen Waffen, sondern Jagdgewehre. Zudem sei man auf Handfeuerwaffen gestoßen, ebenso auf Messer, Dolche und Armbrüste. In manchen Fällen prüft das Bundeskriminalamt noch, ob es die entsprechende Waffenerlaubnis gab. Die Behörden gehen zudem davon aus, dass es weitere Waffenlager gibt. Außerdem wurden Edelmetalle und Bargeld beschlagnahmt. Noch nicht bekannt ist, was bei der zweiten Razzia gefunden wurde.

          Was wird den Beschuldigten vorgeworfen?

          Die insgesamt 55 Beschuldigten stehen unter dem Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Ihr Plan sei es gewesen, mit dem „Einsatz militärischer Mittel und Gewalt“ die deutsche Bundesregierung zu stürzen und durch den Putsch die Macht zu ergreifen.

          Nach Informationen der F.A.Z. sitzen 24 der Beschuldigten in Untersuchungshaft. Zuletzt waren es noch 25, aber der im Zuge der Reichsbürger-Razzia im Dezember festgenommene Mainzer Tenor René R. ist in der vergangenen Woche wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft der F.A.Z. am Mittwoch. Der ehemalige Mainzer Hofsänger ist weiterhin der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtig. Doch galt die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft als unverhältnismäßig. Ein Haftgrund lag demnach nicht mehr vor. René soll früher als “Pforzheimer Caruso“ an Corona-Demonstrationen im Badischen teilgenommen haben. In der verhafteten „Reichsbürger“-Gruppe war er offenbar für die Zeit nach einem Staatsstreich als Kultusminister vorgesehen.       

          Was weiß man über die Mitglieder der Gruppe?

          Insgesamt geht man von 90 Personen aus, die an den Umsturzplänen beteiligt waren, wobei gegen viele von ihnen noch kein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde. Unter den Verschwörern sind Leute sehr verschiedener Herkunft und Berufstätigkeit, sie haben enge Verbindungen. Auffällig ist, dass bekannte Mitglieder älter als 50, 60 oder gar 70 sind, viele sind in der „Querdenker“-Szene der Impfgegner aktiv gewesen. Besondere Aufmerksamkeit hat der 71 Jahre alte Heinrich XIII. Prinz Reuß gefunden, der nach dem Putsch als Staatsoberhaupt vorgesehen war.

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