Merkel widerspricht Kretschmer : „Hass und die Verfolgung unschuldiger Menschen“
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Angela Merkel am Mittwoch in Berlin. Bild: AP
Die Bundeskanzlerin verurteilt abermals die Ausschreitungen in Chemnitz. Es habe dort „sehr klar Hass“ gegeben. Angela Merkel widerspricht damit auch den „Hetzjagd“-Aussagen von Sachsens Ministerpräsident Kretschmer.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Verurteilung der Ausschreitungen und Proteste in Chemnitz noch einmal bekräftigt. Es habe Bilder gegeben, die „sehr klar Hass und damit auch die Verfolgung unschuldiger Menschen“ gezeigt hätten. Davon müsse man sich distanzieren, erklärte Merkel am Mittwoch in Berlin am Rande des Treffens mit dem tschechischen Premierminister Andrej Babis. „Das hat Herr Seibert (Sprecher der Bundesregierung, d. Red) gemacht, das tue ich, das habe ich auch schon getan. Damit ist alles gesagt“, fügte die CDU-Vorsitzende hinzu.
Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte abermals, es gehe nicht um eine semantische Debatte. Merkel selbst hatte bereits vor einigen Tagen angemerkt: „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab."
Zuvor hatte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in seiner Regierungserklärung die Vorfälle in Chemnitz relativiert: „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, es gab keine Pogrome“, sagte Kretschmer. Der sächsische Ministerpräsident stellte sich in seiner Rede gegen jene, die „harte, pauschale und oft nicht zutreffende Urteile“ über die sächsische Stadt und die Ostdeutschen im Allgemeinen gefällt hätten. Er verwahre sich zwar deutlich gegen den Begriff „Lügenpresse“, sagte der sächsische Ministerpräsident. Viele Journalisten, die vor Ort gewesen seien oder aus der Region stammten, hätten sich auch um eine ausgewogene Berichterstattung über die Vorfälle bemüht. Aber je weiter entfernt die Berichterstatter von Chemnitz gewesen seien, desto pauschaler seien in vielen Fällen auch ihre Urteile über die Geschehnisse ausgefallen.
„Das ist keine Alternative für Deutschland“
Darüber hinaus hatte Kretschmer die AfD als „zu großen Teilen mitverantwortlich“ für die Spaltung in Deutschland bezeichnet. In den vergangenen Tagen habe sich gezeigt, „wessen Geistes Kind diese Partei ist“, sagte Kretschmer im Landtag in Dresden. Nach den jüngsten rechten Demonstrationen in Chemnitz, zu denen zum Teil auch die AfD aufgerufen hatte, war eine Debatte über die vollständige oder teilweise Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz entstanden.
Wer Begriffe wie „Volksverräter“ so verwende, wie die AfD es tue, stelle sich „außerhalb jeder Rechtsordnung“, sagte Kretschmer. Es werde mehr und mehr klar: „Das ist keine Alternative für Deutschland, sie will eine Alternative von Deutschland. Und dem werden wir uns alle entgegenstellen.“
Kretschmers Regierungserklärung stand unter der Überschrift „Für eine demokratische Gesellschaft und einen starken Staat“. Er äußerte sich darin zu den ausländerfeindlichen Ausschreitungen, Krawallen und Aufmärschen Rechter in Chemnitz nach der Tötung eines 35 Jahre alten Mannes. Diese bezeichnete der sächsische Regierungschef als „Tötungsdelikt, das durch nichts zu entschuldigen ist“.
Kretschmer lobt „exzellenten Einsatz“ der Polizei
Die Landesregierung und die Stadt Chemnitz hätten der Familie des Opfers ihre Hilfe angeboten, sagte Kretschmer. Diese wolle aber anonym bleiben. Zwei mutmaßlich aus Syrien und dem Irak stammende Männer sitzen wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird seit Dienstag gefahndet.
Nach den Ausschreitungen in Chemnitz wurde die Polizei anfänglich wegen ihrer Einsatzplanung und der zu geringen Zahl an Kräften kritisiert. Kretschmer verteidigte in seiner Regierungserklärung aber das Vorgehen. Es wäre sicher besser gewesen, wenn 100 oder 200 Polizisten mehr vor Ort gewesen wären. Aber jene, die dort gewesen seien, „haben mit einem exzellenten Einsatz die Sicherheit gewährleistet“.
Der 43 Jahre alte CDU-Politiker nahm am Mittwoch auch zum Rechtsextremismus in Sachsen Stellung. Für dessen Erstarken macht die Opposition, vor allem die Linkspartei, die CDU verantwortlich. Es sei bisher nicht gelungen, den Rechtsextremismus endgültig in die Schranken zu weisen, sagte der sächsische Regierungschef. Damit dies gelinge, müssten weitere Anstrengungen unternommen werden. Dieser Kampf sei aber „nur als Kampf für Demokratie zu gewinnen“ und in diesen Kampf müssten deshalb möglichst viele Menschen aus der Mitte der Gesellschaft einbezogen werden, sagte Kretschmer.
Es seien weder alle Chemnitzer gewesen noch eine Mehrheit, die bei den Demonstrationen in der Stadt ausfällig geworden seien. Es sollten nicht die an den Pranger gestellt werden, die aus Wut über das Tötungsdelikt in Chemnitz auf die Straße gegangen seien. „Die sind nicht rechtsextrem“, sagte Kretschmer. „Aber die, die es getan haben, sind schlimm genug – und denen sagen wir den Kampf an.“
Im Oktober will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die sächsische Stadt besuchen. Ein konkreten Termin gebe es noch nicht, teilte die Bundesregierung am Mittwoch in Berlin mit. Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) hatte Merkel am Dienstag eingeladen.
Am Freitag hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) als erstes Mitglied der Bundesregierung Chemnitz besucht und Blumen an dem Ort abgelegt, wo am 26. August ein Deutscher, wohl im Streit, niedergestochen worden war.