Rechtsterrorrismus : Der V-Mann half dem NSU
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Im Zeugenstand: MAD-Präsident Ulrich Birkenheier am Dienstag im Bundestag nach seiner Aussage Bild: dapd
Verteidigungsminister Thomas de Maizière muss zugeben, dass er die Brisanz eines Dokuments zur NSU-Mordserie nicht erkannt hat. Das ist nur eine Panne. Die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss fühlen sich hintergangen.
Am 8. März 1995 wird der Wehrdienstleistende Uwe Mundlos von Mitarbeitern des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) befragt. Der Grund dafür ist, dass der damals 21 Jahre alte Mann aus Jena zusammen mit fünf anderen Soldaten, die wie er in Bad Frankenhausen ihren Wehrdienst leisten, „durch gemeinsames Hören von Skin-Musik und teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten aufgefallen“ sei, wie es in dem danach verfassten Schreiben des MAD heißt. Die Wehrpflichtigen berichten dem Geheimdienst der Bundeswehr in Einzelbefragungen mehr oder weniger offen von ihrer politischen Einstellung: einer etwa vom Besitz eines Hitler-Bilds, das „aber zwischenzeitlich von der Wand abgehängt“ worden sei, oder davon, dass sie in einer Gruppe von sieben Rechten „40 Türken plattgemacht“ hätten, worauf er heute noch stolz sei. Uwe Mundlos, der keine zweieinhalb Jahre später abtauchen und mutmaßlich im Laufe von zehn Jahren zusammen mit den Mitgliedern der Terrorzelle NSU Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe neun Migranten und eine Polizistin kaltblütig ermorden wird, gibt sich unpolitisch.
Er gehöre zu einer zehnköpfigen Skin-Gruppe, wolle nur mit seinen Kumpels Spaß haben. Er berichtet allerdings von seiner Festnahme durch die Polizei ein Jahr zuvor in Chemnitz, als die Beamten im Vorfeld des traditionell von Neonazis gefeierten Rudolf-Heß-Geburtstages ein Bild des „Führer“-Stellvertreters und Visitenkarten mit dem Konterfei Hitlers bei ihm gefunden hatten. Am Ende der Befragung im März 1995 fragt der MAD-Beamte Mundlos, „ob er sich vorstellen könne, ihm bekannt gewordene Termine für Anschläge auf Asylantenheime der Polizei oder den Verfassungsschutzbehörden zu melden“. Mundlos antwortet, dass er nicht bereit sei, „mit den zuständigen Behörden zu kooperieren“. Ein direkter Anwerbeversuch des MAD ist das kaum, die Wehrdienstzeit von Mundlos endet drei Wochen später. Es ist aber eine übliche Serviceleistung des über die rechtsextremistische Szene gut informierten MAD für die zivilen Kollegen vom Verfassungsschutz.
Als hyperkorrekt bekannter Minister
Der Abschirmdienst teilt die Ergebnisse der Befragung am 27. Juni 1995 dem Bundesamt für Verfassungsschutz mit und den Landesämtern in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, den Bundesländern, aus denen die Befragten stammten. Später, wahrscheinlich im Jahr 2000, vernichtet der MAD die Unterlagen, wie es der Datenschutz verlangt.
Bei der Suche nach Dokumenten für den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags findet der sächsische Verfassungsschutz Anfang März dieses Jahres das Begleitschreiben des MAD vom Juni 1995. Die mehr als 20 Seiten umfassende Anlage mit den Befragungen der Wehrpflichtigen aber ist verloren - aus ungeklärten Gründen. Die Sachsen fragen am 8. März 2012 beim MAD an, ob das Schriftstück dem Untersuchungsausschuss in Berlin zur Verfügung gestellt werden könne. Der MAD erlaubt das und berichtet dem Verteidigungsministerium über den Aktenfund.