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„Türkische Medien zulassen“ : Streit um Plätze im NSU-Prozess

  • Aktualisiert am

Begrenzter Platz: Der Sitzungssaal 101 im Oberlandesgericht München - hier beginnt am 17. April der NSU-Prozess Bild: dpa

Das Oberlandesgericht München steht in der Kritik, weil bisher kein Vertreter türkischer Medien für den NSU-Mordprozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Terrorhelfer eine feste Akkreditierung erhalten hat.

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          Gut drei Wochen vor Beginn des NSU-Prozesses steht das Oberlandesgericht München wegen seines Akkreditierungsverfahrens für Medienvertreter in der Kritik. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte am Dienstag, dass türkische Medien in den Verfahren keine festen Plätze bekommen sollen, sei „ein absolut falsches Signal“. Gabriel fügte hinzu, mit dem Prozess müsse „das erschütterte Vertrauen besonders auch bei den türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern in den deutschen Staat, seine Institutionen und Behörden zurückgewonnen werden.“ Wenn nun gerade türkische Medien nicht direkt am Prozess teilnehmen könnten, schaffe das neues Misstrauen. „Das Oberlandesgericht sollte seine Haltung überdenken und sich nicht auf irgendwelche formelle Begründungen zurückziehen.“

          Auch die Ombudsfrau der NSU-Opfer, Barbara John, forderte einen garantierten Zugang zu dem Verfahren auch für türkische Journalisten. „Der Prozess wird nicht nur in der Türkei aufmerksam verfolgt“, sagte John der Online-Ausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Auch viele  Türkischstämmige in Deutschland lesen noch türkische Zeitungen oder  schauen türkisches Fernsehen.“ Daher sei es „nicht nur wünschenswert, sondern wichtig, dass sie Zutritt haben“. Sie verstehe das  Akkreditierungsverfahren nicht und gehe auch davon aus, dass daran noch etwas geändert werde.

          Das Münchner Gericht hatte am Montag die Liste der für den NSU-Prozess akkreditierten Medien veröffentlicht. Unter den 50 Medien mit garantierten Presse-Plätzen im Sitzungssaal A  101 befindet sich kein türkisches Medium. Der Prozess beginnt am 17. April. Die Akkreditierungsgesuche wurden nach Gerichtsangaben in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt.

          Beate Zschäpe muss sich wegen der mutmaßlichen Mittäterschaft an zehn Morden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) verantworten. Acht der Opfer waren türkischer Abstammung. Ein Opfer hatte griechische Wurzeln, zudem wurde eine deutsche Polizistin erschossen. Auf das Konto des NSU soll auch der Nagelbombenanschlag in der überwiegend von Türken bewohnten Kölner Keupstraße aus dem Jahr  2004 gehen, bei dem 22 Menschen verletzt wurden. In dem Münchener Verfahren sind auch vier mutmaßliche Helfer angeklagt.

          „Ein Armutszeugnis“

          Kritik an dem Akkreditierungsverfahren übte auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. Die Justiz stelle sich  schon vor dem NSU-Prozess ein „Armutszeugnis“ aus, erklärte Pau in  Berlin.

          Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte das Gericht „und auch die Politik auf, hier eine Lösung zu finden“. Der „Berliner Zeitung“ sagte Kolat: „Ich werde da nicht locker lassen.“  Es sei nicht glaubhaft, dass sich alle türkischen Medien zu spät gemeldet hätten. Im Zweifel müsse das Gericht die Anmeldungs-Liste offenlegen.

          Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) bedauert die Platzvergabe als „sehr unglückliche Entscheidung“. Diese schade dem Vertrauen der deutschen Muslime in die Aufarbeitung der Mordserie, sagte sein Vorsitzender Aiman Mazyek der dpa in Köln. „Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass das kein Strafprozess ist wie jeder andere, er hat vielmehr die Tragweite wie der Breivik-Fall in Norwegen.“

          Kritik der Journalistenverbände

          Journalistenverbände haben das Akkreditierungsverfahren für den Münchner NSU-Terrorprozess scharf kritisiert. Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union (dju), Cornelia Haß, sprach von einem „größtmöglichen kommunikativen und politischen Unfall mit vorheriger Ansage“. „Nach den Pannen bei den Ermittlungen gegen den NSU darf sich die Bundesrepublik hier nicht ein weiteres Mal blamieren, sondern muss jetzt den Weg frei machen für eine lückenlose und freie Berichterstattung zu dem am 17. April beginnenden Prozess“, forderte Haß.

          „Umgekehrt würden wir einen Riesenaufstand machen, wenn im Ausland kein deutscher Journalist in den Saal dürfte“, kritisierte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, im „Münchner Merkur“. Die Akkreditierungsbestimmungen müssten überarbeitet werden, so dass eine repräsentative Zahl türkischer und internationaler Medien vertreten sei.

          Der Verein der Ausländischen Presse in Deutschland nannte es inakzeptabel, dass es so wenige Plätze für ausländische Journalisten gebe. „Wir hoffen, dass das Oberlandesgericht München diese Entscheidung nochmals überdenkt und diese revidiert“, teilte der Vorstand mit.

          Das Oberlandesgericht verteidigte abermals das Verfahren. Alternativ zur Vergabe nach Eingang sei das Losverfahren von der Rechtsprechung als zulässig anerkannt worden. „Bei dieser Sachlage hat sich der Senat in richterlicher Unabhängigkeit für das Prinzip der Berücksichtigung nach der Reihenfolge des Eingangs entschieden“, sagte eine Sprecherin.

          Insgesamt 123 Medien hatten sich um Akkreditierung bemüht, darunter auch Journalisten der türkischen Zeitungen „Hürriyet“ und „Sabah“, des Senders „NTV Türkei“ und der Nachrichtenagentur „Anadolu“. Sie erhielten zwar eine Akkreditierungskarte, jedoch können sie erst nachrücken, wenn ein Medium mit festem Sitzplatz bis 15 Minuten vor Prozessbeginn nicht anwesend ist.

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