Rechtsterrorismus : Durch das Land führt eine blutige Spur
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Uwe Böhnhardt, Andre K., Ralf W. und Uwe Mundlos 1996 in Erfurt Bild: dapd
Zwölf Jahre lang hat das Trio aus Zwickau geraubt und gemordet. Keiner kam den Rechtsterroristen auf die Schliche. Wie konnte das geschehen? Selbst die Ermittler sind fassungslos.
Begonnen hat alles in den neunziger Jahren. Die Jugend im Osten sucht nach der Wende Orientierung. Eine rechtsextreme Szene blüht auf, Ostthüringen ist ein Schwerpunkt. Die Leute von der kleinen „Kameradschaft Jena“ wollen ganz vorn dabei sein.
Drei sind der Kern: „Mundi“, der Sohn eines Informatikprofessors, „Böni“, der einen Teil seiner Kindheit in DDR-Heimen verbracht hat, und Beate, die Gärtnerin, die allein mit ihrer Mutter aufwuchs. Sie wollen nicht quatschen, sie wollen etwas tun. „Taten statt Worte“ - so haben sie es in ihrem DVD-Film genannt, durch den die Zeichentrickfigur des rosaroten Panthers führt.
Propaganda der Tat. „Böni“, der arbeitslose Hilfsarbeiter und Waffennarr, der mit einem Dolch durch die Stadt lief, hängt am 13. April 1996 einen Puppentorso an eine Autobahnbrücke bei Jena. Einen Davidsterne hat er daran angebracht und zwei Bombenattrappen. Ein Jahr später wird er zu einer Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Er geht in Berufung, das Landgericht Gera setzt zwei Jahre und drei Monate fest. Im Dezember 1997 wird das Urteil rechtskräftig. Doch Böhnhardt muss die Strafe nicht antreten - warum ist bis heute unklar. Am 26. Dezember taucht eine weitere Bombenattrappe auf, sie findet sich in einem Koffer mit Hakenkreuz auf dem Jenaer Nordfriedhof.
Doch die Gruppe begnügt sich bald nicht mehr mit Attrappen. Sie baut echte Bomben. Der Verfassungsschutz bekommt Wind davon, informiert die Polizei. Beamte öffnen Böhnhardts Garage, entdecken vier Rohrbomben und 1,4 Kilo Sprengstoff TNT. Aber Böhnhardt entwischt ihnen in seinem roten Ford Escort, Kennzeichen J-AH 41, für Jena und Adolf Hitler. Auch Mundlos und Zschäpe können abtauchen. Es dauert zehn Tage, bis mit Fotos nach ihnen gefahndet wird.
Die Szene sammelt auf Treffen Geld für die Untergetauchten, das Überleben des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) soll gesichert werden. 170 bis 180 Personen beträgt die Zahl der Unterstützer. Sie kommen aus dem radikalen „Thüringer Heimatschutzbund“. Über ihn müsste der Verfassungsschutz in Erfurt genau Bescheid wissen. Denn sein Anführer Tino Brandt arbeitet für die Behörde, er ist der V-Mann „Otto“. Für seine Tätigkeit will er eine sechsstellige Summe kassiert haben. Hat er sein Wissen über das Trio verschwiegen? Oder sind die Informationen unter den Tisch gekehrt worden?
Ein rechtes Sammelbecken
Im Thüringer Verfassungsschutz geht es in jenen Tagen drunter und drüber. Der Chef Helmut Roewer führt ein selbstherrliches Regime. Dass er Besucher mit nackten Füßen auf dem Tisch empfängt ist das geringste, ebenso wie es die Partys im Amt sind [...]. Sein Auftritt als General Erich Ludendorff im Uniformmantel und mit Pickelhaube mag als Beitrag zur Europäischen Kulturhauptstadt Weimar 1999 betrachtet werden. Dass er 130.000 Euro Amtsgelder an seinen unter einem Decknamen gegründeten Verlag umleitet, aus dem er V-Männer bezahlt haben soll, ist ernster. Als ein Untersuchungsausschuss 2002 die Dinge aufklären will, teilt der inzwischen entlassene Roewer mit, dass die Akten über die V-Leute aus seinem Panzerschrank im Amt verschwunden seien.
Im Februar 1998 hat Roewer gesagt, dass „von einem rechten Sammelbecken in Thüringen keine Rede“ sein könne. Vor solchen Behörden müssen sich die abgetauchten Terroristen nicht sonderlich fürchten. Sie verlassen sich auf ihre alten Kontakte, etwa André K. und Ralf W. aus der früheren Kameradschaft Jena. W. wird später stellvertretender NPD-Landesvorsitzender und ist heute noch Kreischef. Zusammen mit K. erwirbt er 2002 eine Gaststätte im Jenaer Stadtteil Lobeda-Altstadt, als „Braunes Haus“ wird sie zum Zentrum der Neonazi-Szene der Region. Noch im vergangenen Jahr durchsucht es die Polizei, weil sie Sprengstoff dort vermutet.