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Rechtsextremer Terror : War ein NSU-Tatverdächtiger V-Mann?

  • Aktualisiert am
Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben (M.) im Frühjahr vor einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe

Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben (M.) im Frühjahr vor einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Bild: dapd

Das Bundesinnenministerium lässt Hinweise prüfen, nach denen ein mutmaßlicher Unterstützer der Terrorgruppe NSU zeitweilig als V-Mann für eine Sicherheitsbehörde im Einsatz gewesen sein könnte.

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          Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geht Hinweisen nach, dass einer der Hauptbeschuldigten aus dem Umfeld der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) möglicherweise in der NPD als Informant des Verfassungsschutzes tätig war. Wie Friedrich mittteilte, könne der Beschuldigte vor etwa zehn Jahren – also zur Zeit des ersten NPD-Verbotsverfahrens – „möglicherweise V-Mann für eine Sicherheitsbehörde gewesen“ sein.

          Das sei, so Friedrich am Mittwoch, einer „dienstlichen Erklärung“ eines Mitarbeiters der Bundesanwaltschaft zu entnehmen, die er am vergangenen Freitag erhalten habe. Ob die Erinnerung dieses früheren Mitarbeiters des BMI mit aktenkundigen Tatsachen in Einklang gebracht werden kann, soll eine Überprüfung bei allen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern ergeben.

          Dem Vernehmen nach könnte es sich bei der Person um den seit zehn Monaten inhaftierten Ralf Wohlleben handeln, der seinerzeit ein Führungsfunktionär der NPD in Thüringen war. Die Prüfung erstrecke sich besonders darauf, „alle relevanten Akten aus dem damaligen NPD-Verbotsverfahren zu sichten und die mit dem Verfahren betrauten Mitarbeiter zu befragen“, teilte das Ministerium mit.

          Das Bundesinnenministerium geht ungeachtet der neuen Hinweise aber nicht davon aus, dass sich unter den Beschuldigten im Verfahren gegen die NSU ein früherer V-Mann von Sicherheitsbehörden des Bundes befindet, sagte ein Sprecher am Mittwoch.

          Auch der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages sei informiert worden. Der Ausschuss bemüht sich um Aufklärung von Pannen und Versäumnissen bei der Fahndung nach der Neonazi-Terrorzelle, die für den Tod von zehn Menschen verantwortlich sein soll. Den Hinweis hatte das Ministerium nach eigenen Angaben vergangenen Freitag von der Bundesanwaltschaft erhalten.

          „Dringend aufzuklärender Hinweis“

          Friedrich wollte die Ausschussmitglieder noch am Mittwochnachmittag über erste Zwischenergebnisse der Prüfung seines Ministeriums unterrichten. Es gehe dabei um einen „dringend aufzuklärenden Hinweis“, verlautete aus Ausschusskreisen.

          Nach Medieninformationen habe sich ein früherer Unterabteilungsleiter des Innenministeriums, der jetzt bei der Generalbundesanwaltschaft arbeitet, erinnert, im Zusammenhang mit dem ersten NPD-Verbotsverfahren den Namen des Beschuldigten gelesen oder möglicherweise auch nur gehört zu haben.

          Der spätere NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt (M.) und Ralf Wohlleben (r.) aufgenommen im Herbst 1996 in Erfurt im Umfeld eines Prozesses gegen den Holocaust-Leugner Manfred Röder
          Der spätere NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt (M.) und Ralf Wohlleben (r.) aufgenommen im Herbst 1996 in Erfurt im Umfeld eines Prozesses gegen den Holocaust-Leugner Manfred Röder : Bild: dapd

          Als vor knapp zwei Wochen bekannt wurde, dass Thomas S. - ein weiterer Beschuldigter im NSU-Ermittlungsverfahren - mehr als zehn Jahre lang V-Mann des Berliner Landeskriminalamts war, entschloss sich der Bundesanwalt laut „Spiegel Online“, seine Erinnerungen aufzuschreiben. Nach dem Eingang einer „Dienstlichen Erklärung“ über den Verdacht Mitte September bei der Bundesanwaltschaft leitete das Bundesinnenministerium demnach eine umfangreiche Untersuchung ein.

          Der aus Thüringen stammende 37 Jahre alte Wohlleben war am 29. November 2011 in Jena festgenommen worden. Seitdem sitzt er wegen des Verdachts auf Unterstützung des NSU in der in der Justizvollzugsanstalt Tonna
          (Kreis Gotha) in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zu mehrfachem Mord vor. Unter anderem soll der Rechtsextremist eine zentrale Rolle bei der Beschaffung einer Schusswaffe gespielt haben, die bei der NSU-Mordserie zum Einsatz kam. Wohlleben macht bislang im Zusammenhang mit den Vorwürfen, die NSU unterstützt zu haben, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

          Nach Angaben des Verfassungsschutzes fungierte Wohlleben seinerzeit als Vorsitzender des Kreisverbands Jena und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Thüringen der NPD. Gleichzeitig zählt er zu den führenden Neonazis im Freistaat. „Wohlleben entfaltete nicht nur in der NPD Aktivitäten, sondern meldete auch zahlreiche Veranstaltungen des neonazistischen Spektrums an oder trat als stellvertretender Versammlungsleiter auf,“ so der Verfassungsschutz.

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