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Jasper von Altenbockum (kum.)

Rechtsextremer Terror : Cliquen

Dass eine terroristische Mordserie trotz vieler V-Leute nicht als solche wahrgenommen wurde, mag daran liegen, dass rechter Terrorismus eine Sache verrückter Klein-Cliquen ist. Oder daran, dass es verrückte Klein-Cliquen auch im Verfassungsschutz gibt.

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          Der Schreck sitzt tief. Zu Recht. Denn von Tag zu Tag mehren sich die Merkwürdigkeiten im Leben deutscher Verfassungsschützer - das Ludendorff-Kostüm im Keller des ehemaligen Präsidenten eines Landesamtes ist noch harmlos gegen „Klein Adolf“ als Spitzname für einen Mitarbeiter, der offenbar in die Mordserie der „Zwickauer Zelle“ involviert war. Vieles davon war allerdings lange bekannt; auch dass Neonazis zum Kreis der V-Leute gehörten; auch dass V-Leute in führenden Funktionen der rechtsextremistischen Szene sich als Scharfmacher betätigten und dafür bezahlt wurden. Wer heute deshalb Empörung zeigt, der möge das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2003 über das Verbotsverfahren gegen die NPD nachlesen. Auch der „Thüringer Heimatschutz“ wird dort erwähnt.

          Schon damals wurde deshalb über Sinn und Unsinn der Verbindungsleute gestritten, wenn auch in der Hauptsache deshalb, weil sie so breit gestreut und so hoch gestiegen waren, dass ein Verbot der NPD an deren unfreiwilliger Staatsnähe scheiterte. Das Wort bleibt einem jetzt im Halse stecken. Denn es ist richtig zu fragen, warum eine terroristische Mordserie nicht einmal als solche wahrgenommen wird, wenn es denn so viele und so gut positionierte V-Leute im Sumpf dieser Partei und deren Umgebung gab oder noch gibt. Das mag auch daran liegen, dass rechtsextremistischer Terror eine Sache verrückter Klein-Cliquen ist, die zu infiltrieren nahezu unmöglich ist. Es kann aber auch daran liegen, und das gehört zu den obersten Untersuchungsgegenständen der am Dienstag gebildeten Thüringer Kommission, dass es verrückte Klein-Cliquen in und um den Verfassungsschutz gibt.

          Mit der Sache hätte ein NPD-Verbot nichts zu tun

          Diese und andere Untersuchungen, die jetzt anstehen, werden sicherlich nicht zu dem Ergebnis kommen, dass V-Leute überflüssig seien, wie das Volker Kauder nahelegt. Denn das würde den Aufklärungswillen in Sachen „Nationalsozialistischer Untergrund“ ad absurdum führen. Es würde wie im Verbotsverfahren gegen die NPD nicht die Sache selber treffen, sondern die Mittel des Staates, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Doch die Politiker, denen jetzt zu Recht der Schreck in die Glieder fährt, drohen sich noch auf eine andere Weise lächerlich zu machen: Sie reden so lange über ein Verbot der NPD, dass sie gar nicht mehr anders können. Mit der Sache wird das wieder nichts zu tun haben.

          Jasper von Altenbockum
          Verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik.

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