Früherer Verfassungsschützer Roewer : Mit der Lizenz zur Erkenntnis
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Ohne Schlapphut: Helmut Roewer bei der Vorstellung seines Buches Bild: dapd
Der frühere Verfassungsschutzpräsident in Thüringen, Roewer, hat ein Buch geschrieben. Über die Terrorgruppe NSU lässt er viele Fragen offen. „Verschwörungstheorien“ verweigert er sich, nimmt aber in Anspruch, den Durchblick zu haben.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, ja, wenn man ihn samt seiner speziellen Methoden nur weiter hätte gewähren lassen, dann wären die Bombenbastler von Jena mit großer Wahrscheinlichkeit gefasst worden. Dann wäre Deutschland die mutmaßlich größte rechtsextremistische Verbrechensserie seit dem Ende des Nationalsozialismus erspart geblieben. Diesen Schluss legt Helmut Roewer den Lesern seines Buches „Nur für den Dienstgebrauch“ nahe.
Der frühere Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, während dessen Amtszeit das Unheil des NSU in Thüringen seinen Lauf nahm, schildert auf knapp 300 Seiten seine Sicht der Dinge. Dem Terror-Trio widmet Roewer allerdings nur ein gutes Dutzend Seiten. Doch die durchzieht dieselbe Botschaft wie das ganze Buch. Hier hat nur einer den Durchblick, die Lizenz zur Erkenntnis. Es ist der Autor selbst. Aus Tagebucheinträgen hat er ein Bild von sich, seiner Welt und dem, was ihm an Ungerechtigkeiten widerfahren sei, zur Collage montiert.
„Vulgärpsychologische Erklärung“
Roewer berichtet aus der Zeit der Aufbaujahre nachvollziehbar von den baulichen Zuständen der Behörden, vom „No“, das im weichen thüringischen Idiom kein „Nein“ bedeutet, sondern als ermunternde Aufforderung wie ein „nur zu“ gemeint ist, oder von der Erfurter Schwimmhalle, dessen Personal tatsächlich nur stündlich die Badegäste einließ. Hier ging alles noch seinen sozialistischen Gang. Zutreffend schildert Roewer den trockenen Humor des Aufbauhelfers Gerhard Heuer, der nach Roewers Schilderung diesen für die Übernahme des Amtes in Thüringen gewonnen hatte.
Heuer war bis zu seiner Pensionierung 1991 Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium und engagierte sich dann bis zu seinem Tod für den Aufbau Thüringens in dessen Innenministerium. Als Bundesinnenminister Schäuble Heuer einmal fragte, schreibt Roewer, was zum Erstarken der rechtspopulistischen Republikaner geführt habe, entgegnete Heuer, es gebe zwei Antworten. Die offizielle stehe im Verfassungsschutzbericht. Die richtige laute Blüm, Süssmuth, Geißler und so weiter.
Auf die Frage, warum das mutmaßliche Terrortrio entkam, bleibt Roewer eine nachvollziehbare Antwort schuldig. Die Schuld aber sucht er nur bei anderen, bei der Polizei und den Politikern der CDU, die voller undichter Stellen gewesen seien, die die „Suchansätze“ mit ihrer Geschwätzigkeit haben „kaputt gehen“ lassen. Roewer sinniert darüber, ob dies vielleicht sogar absichtsvoll geschah, und gestand ein, dass „man sich“ mit solchen Betrachtungen, „an den Rand von Verschwörungstheorien“ begibt.
Er präsentiert eine Erklärung für das Absetzen der mutmaßlichen Täter während der Durchsuchung ihrer Sprengstoffwerkstatt in Jena im Januar 1998, die er sich „zusammengezimmert“ hat du die ihm „halbwegs tragfähig erscheint“. Bei den Polizisten habe es im Kopf klick gemacht: „Durchsuchen ja, aber keine Festnahme.“ Diese, seine, „vulgärpsychologische Erklärung“ habe sich später bestätigt. Fest steht für Roewer vor allem eines: „Am 7. Juni 2000 fliege ich raus. Für die Bekämpfung des rechtsextremen Terrorismus hat niemand mehr das geringste Interesse.“ Ministerpräsident Vogel (CDU) hatte Roewer damals in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die Art seiner Amtsführung war umstritten gewesen.