Flüchtlingsunterkünfte : Ist rechtsextremistische Hetze im Netz schuld an den Anschlägen?
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Hetzerische Flugblätter verteilt: Ermittler durchsuchen im Juli die verkohlten Reste des Nebengebäudes der geplanten Asylbewerberunterkunft in Winden. Bild: Imago
Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsheime ist in diesem Jahr stark gestiegen. Die Behörden gehen deshalb der Frage nach, ob es sich um spontane Einzeltaten handelt - oder ob sie von Rechtsextremisten über das Internet gesteuert werden.
Lichterloh brannte in einer Julinacht mitten in Winden eine zukünftige Unterkunft für Asylbewerber. Das idyllische Dorf liegt in der Marktgemeinde Reichertshofen, in einem wohlhabenden Landstrich zwischen Ingolstadt und München, und hat rund 800 Einwohner. Nach dem Willen eines Investors sollten 137 Flüchtlinge in einem früheren Gasthof an der Hauptstraße untergebracht werden. Daraufhin gab es Aufruhr, eine Bürgerinitiative machte Stimmung. So viele „Asylanten“ brauche man nicht, hieß es auf Transparenten an der Hauptstraße. Und: „Winden wehrt sich“.
Plakate, die für die Aufnahme der Flüchtlinge warben, gab es keine. Im niedersächsischen Tröglitz, wo im April dieses Jahres die erste geplante Flüchtlingsunterkunft gebrannt hatte, hätten die Anwohner sich auch nicht alles gefallen lassen, sagte ein älterer Herr aus Winden der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ob man das als Drohung verstehen hätte sollen? Zwar einigten sich Landkreis und Gemeinde darauf, rund die Hälfte der geplanten Anzahl, nämlich 67 Flüchtlinge, in dem früheren Gasthof unterzubringen. Doch zweieinhalb Monate später brannte das Speisezimmer des früheren Gasthofs. Nach Polizeiangaben wurde das Feuer vorsätzlich an zwei Eingängen des Gebäudes gelegt.
Die Politik ließ sich von dem Anschlag nicht einschüchtern. „Jetzt erst recht“, sagte der Bürgermeister von Reichertshofen. Doch die Aufnahme der Flüchtlinge verzögert sich; momentan wird das Gebäude umgebaut, die Brandstelle saniert. Ende September sollen nach Angaben des Landkreises Pfaffenhofen nach und nach die ersten Flüchtlinge einziehen. Die Polizei ermittelt nach wie vor in alle Richtungen. Derzeit könne weder ein rechtsradikaler Hintergrund ausgeschlossen werden, noch hätten sich eindeutige Hinweise dafür ergeben, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium.
Mindestens fünf weitere Brände von bewohnten oder geplanten Asylbewerberheimen gab es dieses Jahr in Bayern. In einigen Fällen wurden Brandbeschleuniger nachgewiesen, in anderen ist die Brandursache weiterhin unklar. Offizielle Stellen bestätigen diese Zahl nicht. Zahlen aus dem laufenden Jahr könnten nicht mitgeteilt werden, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium. 2014 hat das bayerische Landeskriminalamt nach Angaben des bayerischen Innenministeriums 25 politisch motivierte Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte gezählt. Erkenntnisse, dass eine übergeordnete rechtsradikale Struktur die Angriffe steuern könnte, liegen bisher nicht vor. Aus Sicht des bayerischen Innenministeriums handelt es sich „bei rechtsextremistischen Protesten und Aktionen nach wie vor meist um lokal organisierte Demonstrationen oder einzelne Übergriffe, die keinen Rückschluss auf eine bundesweit gesteuerte Strategie zulassen“. Intensität und Anzahl „entsprechender Aktionen stehen in starker Abhängigkeit von den organisatorischen Möglichkeiten der jeweiligen lokalen rechtsextremistischen Szene“.