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Dresden : Wie sich Pegida radikalisiert

Vor ca. 8000 Menschen beschuldigte Lutz Bachmann auf dem Dresdner Theaterplatz Asylbewerber, sich „respektlos und fordernd“ zu benehmen, indem sie „raubend, teilweise vergewaltigend, stehlend und prügelnd unsere Städte bereichern“. Bild: dpa

Seit zwei Wochen hat Lutz Bachmanns Truppe wieder Zulauf: Bei der letzten Demonstration in Dresden kamen 8000 Menschen. Mit radikalen Reden und Taten will Bachmann mehr Menschen ködern.

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          Als sich die Dresdner Pegida-Bewegung im Januar spaltete, antwortete einer der Aussteiger auf die Frage nach Gründen für die damals große Teilnehmerzahl, dass man im Herbst angefangen habe, als es „abends schnell dunkel wurde und die Leute nicht mehr in den Garten konnten“. Diese äußeren Bedingungen scheinen nun abermals zu stimmen, denn seit zwei Wochen verzeichnet die Truppe um Anführer Lutz Bachmann wieder Zulauf; am Montagabend kamen Schätzungen zufolge 8000 Menschen auf den Theaterplatz im Stadtzentrum.

          Stefan Locke
          Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

          Bachmann, der in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Wir werden von Waaahnsinnigen regiert“ auftrat, beschuldigte pauschal Asylbewerber, sich in Deutschland „respektlos und fordernd“ zu benehmen, indem sie „raubend, teilweise vergewaltigend, stehlend und prügelnd unsere Städte bereichern“. Es gebe keine Einzelfälle, Kriminalität sei an der Tagesordnung, nur dürfe man nicht darüber reden, sondern müsse „als systemkritische Bewegung wieder wie 1989 mit Verfolgungen und Verhaftungen durch das totalitäre Regime rechnen“. Sein Publikum schrie: „Merkel muss weg!“

          Bachmanns Reden sind radikaler als vor einem Jahr; offenbar will er dem Schicksal der gemäßigten Pegida-Abspalter, die in der Versenkung verschwanden, entgehen. So ist heute in seinen Ansprachen auch nicht mehr die Rede davon, Bürgerkriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten Asyl zu gewähren, stattdessen warnte er am Montag etwa vor „Hunderttausenden Afghanen“, die sich auf den Weg nach Deutschland machten und „trotz offiziellen Kriegsendes“ als Kriegsflüchtlinge anerkannt würden.

          Bisher hatte sich die Hetze auf Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten konzentriert, seit diese jedoch ausbleiben - im August beantragten laut Innenministerium gerade mal noch 18 Menschen von dort Asyl in Sachsen -, agitiert Pegida verstärkt gegen andere Gruppen von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie in deutlich verschärftem Ton auch gegen Politiker und Journalisten.

          Schüler auf Theaterfestival bedroht

          Die auf diese Weise aufgewiegelte Menge gab sich beim anschließenden „gewaltfreien Abendspaziergang“ keineswegs friedlich. So attackierten am Montagabend Pegida-Teilnehmer aus der Demonstration heraus Journalisten. Ein Fotograf des MDR wurde getreten, einem Reporter der Lokalzeitung „Dresdner Neueste Nachrichten“ (DNN) wurde mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Laut MDR entstand daraufhin ein Tumult, in dem es den Tätern trotz herbeigeeilter Polizei gelang, unterzutauchen; beide Reporter wollten im Laufe des Dienstags Anzeige erstatten. DNN-Chefredakteur Dirk Birgel erklärte, man werde sich nicht einschüchtern lassen und weiter kritisch berichten.

          Bereits in der Vorwoche hatten Pegida-Teilnehmer Schüler eines Theaterfestivals bedroht, die aus ganz Deutschland nach Dresden gereist waren. Als die 12 bis 18 Jahre alten Jugendlichen nach der letzten Aufführung vor das Schauspielhaus traten, wurden sie von Demonstranten mit Sätzen wie „Euch kriegen wir auch noch“ und „Geht erst mal arbeiten“ angepöbelt und geschubst. Sachsens Kultusministerium, dass die Schüler eingeladen hatte, entschuldigte sich in aller Form; Bachmann selbst wiederum bestritt, dass es den Vorfall gegeben habe. Von der „Sächsischen Zeitung“ mit den Aussagen mehrerer Augenzeugen konfrontiert, erklärte er, das sei ihm „scheißegal“.

          Dresden ist die einzige Stadt, in der Pegida noch nennenswerten Zulauf hat. Vor zwei Wochen hatte Bachmann angekündigt, nun doch eine Partei gründen zu wollen, um „bei Neuwahlen weit vor 2017 vorbereitet“ zu sein. In Sachsens AfD, die in Umfragen bei 13 Prozent steht, sorgte diese Ankündigung für Sorge. Ein Parteiaufbau sei „kein Zuckerschlecken“, warnte der Kreisverband Dresden in einem offenen Brief an Pegida. Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry lobte Pegida als „richtige und wichtige Bürgerbewegung“, warnte aber vor einer Spaltung „der konservativen Wählerschaft“ und kündigte eine „Herbstoffensive“ mit ebenfalls regelmäßigen Demonstrationen an.

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