Angriffe auf Sorben : Alter Hass in neuen Kleidern
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Heimatverbunden: Ein sorbisches Folkloreensemble zeigt Volkstänze in der Lausitz Bild: Imago
Immer wieder wurden in der Oberlausitz in der letzten Zeit Sorben angegriffen. Jetzt hat die Polizei mehrere Verdächtige gefasst. Woher kommt, nach Jahrzehnten des Friedens, diese Feindschaft?
Einmal im Jahr kommen die Absolventen des sorbischen Gymnasiums Bautzen zum Abituriententreffen zurück in ihre Heimat. Gut 500 einstige Schüler pilgerten dieses Mal wieder in die Bautzener Stadthalle „Krone“. Aber rund um den Veranstaltungsort fuhren Polizisten Streife, im Saal gab es deutlich mehr Sicherheitspersonal als sonst, und jeder Teilnehmer erhielt zu Beginn am Einlass ein Armbändchen als Zeichen der Unbedenklichkeit.
Der Sicherheitsaufwand hatte mit den vorangegangenen Wochen und Monaten zu tun, als immer wieder gezielt sorbische Jugendliche beschimpft, bedroht und angegriffen worden waren. „Das hat Sorben und Deutsche gleichermaßen aufgeschreckt“, sagt Diana Paulik, die bis zum vergangenen Jahr Vorsitzende des sorbischen Jugendvereins „Pawk“ war. Auch Angehörige ihrer Familie waren bei einer der Veranstaltungen gewesen, auf der es Angriffe gab. Danach verstanden sie wie viele andere Sorben die Welt nicht mehr: Was sollen Einschüchterung, Drohgebärden und Gewalt, nachdem man bisher fast immer friedlich miteinander gelebt hatte?
An die Öffentlichkeit gelangte das Geschehen mit dem Leserbrief eines Jugendlichen, der in der sorbischen Tageszeitung „Serbske Nowiny“ schilderte, wie Mitte Oktober bei einer Disko des Sorbischen Gymnasiums Bautzen in Schönau „etwa 15 rechtsextrem ausgerichtete Jugendliche“ aufgetaucht seien: „Auf dem Flur haben sie jeden beobachtet und gelauscht, wo Sorbisch gesprochen wurde. Auf dem Weg zum Auto grölten sie dann sorbenfeindliche Parolen.“ Anschließend hätten die Täter, die sich inzwischen Sturmhauben übergezogen hatten, gegen die Scheiben getrommelt und an den Türen der Autos gerüttelt, in denen die jungen Sorben flüchteten, was „im letzten Augenblick gelang“.
Die Täter sind bereits bei Pegida und anderen Protesten aufgefallen
Ähnliche Vorfälle hatte es auch in anderen Orten des sorbischen Siedlungsgebiets um Bautzen gegeben. Das Muster war dabei stets das gleiche: Die meist komplett schwarz gekleideten Täter forschten aus, wer sorbisch spricht, griffen dann maskiert an und schlugen dabei mehrfach sorbische Jugendliche zusammen. Die Betroffenen selbst reden heute nicht mehr darüber, nur wenige von ihnen erstatteten damals Anzeige.
Das Operative Abwehrzentrum (OAZ), die Spezialeinheit der sächsischen Polizei gegen Rechtsextremismus, ermittelt seitdem wegen Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung und Beleidigung. Der Leiter des OAZ, der Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz, hatte damals bei einem Besuch in Bautzen klargemacht, wie ernst ihm die Angelegenheit ist. Die Verantwortlichen, so sagte er öffentlich, sollten sich „warm anziehen“. Die klare Stellungnahme ermutigte weitere Jugendliche, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, zur Polizei zu gehen. Viele der Geschädigten seien „massiv eingeschüchtert“ gewesen und hätten im Falle einer Aussage „Racheakte“ befürchtet, sagt Merbitz.
Die Ermittler hörten mehr als 20 Zeugen, im März nun führte die Fahndung zu einem ersten Erfolg. Das OAZ teilte auf Anfrage dieser Zeitung mit, dass sieben Tatverdächtige im Alter zwischen 18 und 21 Jahren gefasst seien. Nähere Angaben machten die Beamten aus ermittlungstaktischen Gründen nicht; allerdings seien die mutmaßlichen Täter keine Unbekannten, im Gegenteil, sie seien auch bei rechtsextremen Demonstrationen, bei Pegida sowie bei den Auseinandersetzungen um das „Spreehotel“ in Bautzen aufgefallen. In dem zur Asylbewerberunterkunft umgewidmeten Haus sind seit Juli 150 Flüchtlinge untergebracht, dort kommt es immer wieder zu ausländerfeindlichen Protesten.
Kleine Beleidigungen im Alltag
Dass die Täter wohl gefasst sind, mag beruhigen, die Gewalt aber verunsichert viele Sorben nach wie vor. „Tätliche Angriffe in dieser Form hat es weder im Sozialismus noch in den Jahren nach der Wende gegeben“, sagt Jan Nuck, der bis 2011 Vorsitzender des Bundes der Sorben, „Domowina“, war. Allerdings hätten in den vergangenen Jahren sorbenfeindliche Tendenzen stark zugenommen. Mal wurde auf eine Straßenbrücke „Sorben raus“ oder an eine Hauswand „Hooligans gegen Sorben“ gepinselt, immer wieder werden Kruzifixe am Wegesrand zerstört und seit dem vergangenen Sommer vermehrt auch sorbische Ortsbezeichnungen auf zweisprachigen Straßenschildern durchgestrichen oder übermalt; in einem Fall wurde ein Hakenkreuz aufgesprüht.