Rechtsextremismus beim KSK : Ein Kommandeur sieht rot
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Bundeswehrsoldaten der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte trainieren in Magdeburg (Archivbild). Bild: dpa
Brigadegeneral Markus Kreitmayr sieht das Kommando Spezialkräfte durch Rechtsextremisten unterwandert. Er stellt ihnen ein Ultimatum.
Markus Kreitmayr ist ein Mann, der offenkundig mit brenzligen Situationen umgehen kann. Die Liste der Auslandseinsätze des 52 Jahre alten Berufsoffiziers ist lang. Er diente auf dem Balkan und in Afghanistan zu Zeiten, als deutsche Soldaten dort noch in Gefechte verwickelt wurden. Seit knapp zwei Jahren steht der Brigadegeneral nun dem Kommando Spezialkräfte (KSK) vor, der elitärsten Einheit der Bundeswehr also, jener mit den geheimsten Aufträgen und auch den gefährlichsten. Trotz seiner Erfahrung in Ausnahmesituationen sah Kreitmayr sich kürzlich zu einem Schritt veranlasst, der in der Geschichte des KSK seinesgleichen sucht.
Montag vor einer Woche verschickte der KSK-Kommandeur einen Brief an seine Soldaten und zivilen Mitarbeiter, der an diesem Dienstag öffentlich wurde. Das Schreiben liest sich wie ein einziger Alarm: Der Verband durchlebe „derzeit die schwierigste Zeit seiner Geschichte“, heißt es darin. Schuld seien „Individuen, die dem sogenannten rechten Spektrum zuzuordnen sind“: Menschen mit fehlender Verfassungstreue, Nähe zu Reichsbürgern oder rechtsextremistischer Gesinnung. Der Schaden, den sie für das Kommando und die gesamte Bundeswehr hervorgerufen hätten, sei massiv. „Sie verdienen unsere Kameradschaft nicht!“, schreibt Kreitmayr. „Sie gehören nicht zu uns!“ An die Gemeinten richtete der Kommandeur ein Ultimatum. Sie sollten das Kommando und die Bundeswehr aus freien Stücken verlassen. „Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!“
Dass sich der General nicht wie üblich direkt vor seinem versammelten Kommando äußerte, mag der Corona-Pandemie geschuldet sein. Für Kreitmayr war offenkundig der Druck durch den jüngsten Ermittlungsfall in seinem Kommando der Auslöser, von dieser Regel abzuweichen. Der General nennt den Fall einen „schockierenden Höhepunkt“.
Am 13. Mai hatte die sächsische Polizei bei einem langjährigen Soldaten seines Kommandos ein Versteck mit Munition, Sprengstoff und Waffen ausgehoben. Ein buntes Arsenal – von Sportwaffen über Rauchgranaten bis hin zu einem Schnellfeuergewehr des Typs „Kalaschnikow“ und einer Armbrust. Aus Bundeswehrbeständen soll zumindest ein Teil der Munition stammen. Weiterhin fanden die Ermittler nationalsozialistische Devotionalien. Dabei war bekanntgeworden, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) Oberstabsfeldwebel Philipp S. schon 2017 wegen des Verdachts rechtsextremistischer Bestrebungen im Blick gehabt hatte. Auslöser war demzufolge die Abschiedsfeier eines Kompaniechefs, bei der der Verdächtige den Hitlergruß gezeigt haben soll. Allerdings hätten seinerzeit die Verdachtsmomente im Rahmen disziplinarer Vorermittlungen „nicht in der notwendigen Weise verdichtet werden“ können, hieß es am Dienstag in einem Schreiben des Verteidigungsministeriums an die Obleute des Deutschen Bundestages. Der Fall sei weiterverfolgt worden, was Anfang des Jahres den Hinweis zur Folge gehabt habe, der zum Versteck des Soldaten führte. Verbindungen des Verdächtigen zu anderen Rechtsextremen oder Demokratiefeinden seien aber nicht nachgewiesen worden, hieß es weiter. Der Fall wiegt für das KSK besonders schwer, weil S. sein gesamtes Soldatenleben dort verbracht hat.
Die Ermittlungen gegen S. sind kein Einzelfall im KSK, das für seine Verschwiegenheit ebenso bekannt ist wie für seinen Elitestatus. Bei der Suche nach extremistischen Umtrieben ist das Kommando inzwischen zu einem Schwerpunkt der Ermittlungen des MAD geworden. In der Vergangenheit wurde bereits gegen ein knappes Dutzend von Angehörigen vorgegangen. Vier Soldaten wurden dabei entlassen, weitere zudem verhaftet, versetzt oder disziplinarisch gemaßregelt. Insgesamt werden gegenwärtig rund 20 Verdachtsfälle verfolgt. Das ist deutlich mehr als in anderen Teilen der Streitkräfte. Ende vergangenen Jahres zählte der MAD bei allen 265.000 Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr 743 Verdachtsfälle; das macht einen Fall auf 357 Mitarbeiter. Die genaue Größe des KSK ist geheim, Fachleute rechnen jedoch mit rund 1000 Mitarbeitern. Die Verdachtsquote wäre demnach siebenmal so hoch wie im Durchschnitt der Truppe. Allerdings ergaben Ermittlungen in der Vergangenheit nur bei einem Bruchteil, dass die Verdächtigen auch tatsächlich extremistische Positionen vertraten.
Kreitmayr verwahrte sich in seinem Brief dagegen, das KSK unter Generalverdacht zu stellen. „Vorverurteilungen und Verallgemeinerungen auf alle Angehörigen unseres Verbandes müssen unterbleiben“, schrieb er. Die weit überwiegende Mehrheit diene Deutschland „tadellos, vorbildlich verfassungstreu und hochmotiviert“.