Rechtsextreme Aufmärsche : Ein Schutzwall um Dresden
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Gegen das Vergessen: Demonstranten in Magdeburg, verkleidet als KZ-Häftlinge Bild: dpa
Alljährlich kommen am 13. Februar die Dresdner zusammen und gedenken der Toten der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg. Doch das Gedenken wird durch rechtsextreme Aufmärsche gestört. Die Bürger wollen das verhindern. Was ist erlaubt, was verboten?
Seit dreißig Jahren versammeln sich die Dresdner am 13. Februar mit Blumen und Kerzen in ihrer Stadt, um der Toten der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zu gedenken. Und seit zehn Jahren werden sie dabei von Neonazis und Rechtsextremisten gestört, die dieses Datum zur Selbstdarstellung nutzen wollen. Sie rechnen die Zahl der Toten dramatisch hoch und sprechen von einem Kriegsverbrechen an den Dresdnern. Im vergangenen Jahr ist der Protest gegen die Aufzüge der Rechtsextremisten eskaliert. An mehreren Stellen der Stadt kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Die Bilder von Straßenbarrikaden, brennenden Müllcontainern und Verletzten schockierten die Bürger. Absicht und Wirkung des Gedenktages waren damit in ihr Gegenteil verkehrt. In diesem Jahr wird das Gedenken von der Arbeitsgemeinschaft 13. Februar vorbereitet, die schon im Jahr 2009 eine Menschenkette um die Dresdner Innenstadt organisiert hatte. Weil aber die Gräben zwischen den politischen Gruppierungen im Dresdner Stadtrat tief sind, bedurfte es stundenlanger Sitzungen und eines Moderators in Person des Direktors der Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, ein früherer Kaplan der Dresdner Hofkirche.
„In Hör- und Sichtweite“ der Rechtsextremisten
In den Zielen war man sich bald einig: Es sollte der Bombennacht würdig gedacht und ein Aufzug von Rechtsextremisten verhindert werden. Verhältnismäßig leicht fiel es der Arbeitsgemeinschaft, sich über das Gedenken zu verständigen. Die Dresdner sind eingeladen, wieder eine Menschenkette zu bilden und damit einen symbolischen Schutzwall um ihre Stadt zu legen. Am Montag um 18 Uhr soll sich der Kreis schließen. Alle Glocken in der Stadt werden läuten.
Schwer hingegen war es, eine gemeinsame Position zum Protest gegen die Neonazis zu finden. Bewegung brachte der CDU-Innenpolitiker und Landtagsabgeordnete Christian Hartmann in die stockende Debatte, als er im Landtag für eine Protestveranstaltung „in Hör- und Sichtweite“ der Rechtsextremisten eintrat, wie es das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil formuliert hatte. Dieser Vorstoß führte zwar zu einigem Grummeln unter seinen Parteifreunden, die aber nicht mehr dahinter zurück konnten. Jetzt wird am Samstag, dem 18. Februar, an dem der größere Aufmarsch der Rechtsextremisten erwartet wurde, auf dem Schlossplatz ein Fest der Demokratie stattfinden.
Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel wird eine Rede halten. Der Tag steht unter dem Motto: „Mit Mut, Respekt und Toleranz - Dresden bekennt Farbe“. Unklar ist noch, wie groß dieses Fest ausfällt und wie stark die Beteiligung am Gedenktag sein wird. Das liegt an den Dresdnern, denn die waren auch in den vergangenen Jahren eher nicht auf der Straße, sondern sind zu Hause geblieben. Es waren vielmehr Auswärtige in der Stadt. Außerdem beginnen an diesem Wochenende die Winterferien in Sachsen. Derzeit häufen sich die Aufrufe, sich in die Menschenkette einzureihen und an den zahlreichen anderen Veranstaltungen teilzunehmen.
„Blockade-Trainings“
Inzwischen haben die Rechtsextremisten ihren Aufmarsch für den 18. Februar abgesagt. Es heißt, sie hätten Mobilisierungsprobleme. Die Polizei hat den Verfolgungsdruck zum Beispiel mit Hausdurchsuchungen erhöht. Nach der Aufdeckung der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ fürchten offenbar viele, in die Fänge der Ermittler zu geraten und als Rechtsextremisten identifiziert zu werden. Unklar ist auch, was am Montag passiert.
Die „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ hat einen Fackelzug mit 2000 Teilnehmern angemeldet. In der Vergangenheit erschienen indes jeweils weniger Teilnehmer als angekündigt. Das Bündnis „Dresden - nazifrei“ will 3000 Gegendemonstranten mobilisieren und hält an seiner Absicht fest, die Rechtsextremisten gar nicht marschieren zu lassen, sondern zu blockieren. Darauf haben sie sich in mehreren „Blockade-Trainings“ vorbereitet. Sie billigen den Neonazis zwar das Recht auf freie Meinungsäußerung zu, reklamieren für sich aber das Demonstrationsrecht, um ihre gegenteilige Meinung zu äußern. Sitzblockaden sind ihrer Auffassung nach ein friedliches Mittel des Protestes.
„Eindeutig rechtswidrige Handlungen“
Über die geplanten Blockaden der rechtsextremen Aufmärsche wird in Dresden gestritten. Auch in der Arbeitsgemeinschaft 13. Februar konnte darüber keine Verständigung erzielt werden. Man äußerte sich einfach nicht dazu. CDU und FDP sehen darin einen Verstoß gegen das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Die Dresdner Staatsanwaltschaft teilt diese Rechtsauffassung und verfolgt weiterhin hartnäckig die Blockierer der Jahre 2010 und 2011. Sie verschickt Strafbefehle und beantragt die Aufhebung der Immunität von Landtags- und Bundestagsabgeordneten, um sie als Rädelsführer zu verfolgen. Zuletzt war in dieser Sache die Immunität der Bundestagsabgeordneten Caren Lay und Michael Leutert (beide Linkspartei) aufgehoben worden.
Linkspartei, SPD und Grüne haben auch in diesem Jahr wieder zu Sitzblockaden aufgerufen. Für die CDU zeigte sich Hartmann enttäuscht darüber, dass dadurch eben „kein fraktionsübergreifendes Zeichen“ zustande komme. Blockaden nennt er „eindeutig rechtswidrige Handlungen“. Beide Seiten berufen sich für ihre Rechtsauffassung auf Gerichtsurteile und Interpretationen.
Der Streit berührt einen gesellschaftlichen Dissens, der in Dresden nicht geklärt wird. Möglicherweise muss er am Samstag nächster Woche gar nicht ausgetragen werden, wenn keine Rechtsextremisten aufziehen und die Demokraten unter sich bleiben. Welche Bilder am Montag das Gedenken bestimmen, ist noch ungewiss. Dresden ist auf alles vorbereitet.