„Prepper“-Prozess in Schwerin : Das gefährliche Eigenleben des Elitepolizisten
- -Aktualisiert am
Der Angeklagte Marko G. am 20. November bei der Verhandlung in Schwerin. Bild: dpa
Der frühere Präzisionsschütze Marko G. hortete zu Hause Tausende Schuss und eine Maschinepistole. Das Gericht prüft, ob er dabei gegen Gesetze verstieß. Doch bei der Affäre geht es noch um weitaus mehr.
Am Anfang verliest der Richter noch einmal eine Erklärung des Angeklagten. Der Angeklagte verzichte, heißt es da, auf sämtliche Waffen, Munition und Sprengstoff, die bei ihm sichergestellt wurden. Ob das so in Ordnung sei, fragt der Richter. Marko G. sagt, das sei in Ordnung. Bei einer Durchsuchung im August 2017 waren bei dem heute 49Jahre alten Marko G. knapp 24.000 Schuss Munition gefunden worden, zudem Waffen und Blendgranaten. Das meiste besaß er legal, damals hatte er noch Waffenbesitzkarten, sie wurden inzwischen beschlagnahmt. Bei einer zweiten Durchsuchung im Juni dieses Jahres fanden die Beamten gut 31.000 Schuss, dazu unter anderem eine Maschinenpistole, Typ Uzi. Da wurde G. dann festgenommen.
Es ist Donnerstag, der zweite Verhandlungstag in dem Prozess im Schweriner Landgericht gegen den früheren Elitepolizisten Marko G., einst Mitglied des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in Mecklenburg-Vorpommern, Präzisionsschütze. Viele Journalisten sind gekommen, es gelten hohe Sicherheitsvorkehrungen, Besucher werden durchsucht und müssen die Ausweise abgeben. Die Staatsanwaltschaft wirft G. Verstöße gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontroll- und das Sprengstoffgesetz vor, zum Teil soll er Munition und Waffen illegal gelagert haben. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Die Affäre aber, in der auch Marko G. eine Rolle spielt, reicht weit über das hinaus, was in dem Schweriner Gerichtssaal verhandelt wird. Sie hat die Sicherheitsbehörden im Land erschüttert und den Innenminister Lorenz Caffier von der CDU in Zugzwang gebracht.
Nach der zweiten Durchsuchung bei Marko G. wurde noch gegen drei weitere zum Teil damals noch aktive Elitepolizisten des Landes ermittelt. Sie sollen ihn unterstützt haben. Sie waren Teil einer „Prepper“-Gruppe, die sich auf den Tag X vorbereitet haben sollen – den Tag einer Katastrophe, an dem der Staat zusammenbricht. Schnell war von rechtsextremen Umtrieben die Rede. Caffier berief eine Kommission ein, um die Zustände in der Polizei zu durchleuchten. Vorgestellt wurden die Ergebnisse am Dienstag. Und während Marko G. im Prozess beteuert, die Aktivitäten der Gruppe seien nicht politisch gewesen, klingen die Kommissionsergebnisse schon anders.
Zu wenig Wissen bei SEK-Angehörigen
Dabei waren die Bedingungen, um den Bericht zu schreiben, offensichtlich nicht ideal. Die Autoren hatten keinen Zugang zu den Ermittlungsakten der Schweriner Staatsanwaltschaft und vor allem der Bundesanwaltschaft. Die ermittelt seit 2017 gegen zwei Mitglieder der „Prepper“-Chatgruppe „Nordkreuz“, die Marko G. gegründet haben soll. Der Verdacht: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. In dem Verfahren ist G. Zeuge.
In der Zusammenfassung des Berichts heißt es, die als auffällig bekanntgewordenen Polizeibeamten – zu ihnen zählt offensichtlich G. – hätten ausschließlich einer von drei Einsatzgruppen des SEK angehört, die anderen beiden seien nicht betroffen.
Es sei „wahrscheinlich, dass die festgestellten rechtsextremistischen, insbesondere fremdenfeindlich geprägten Einstellungen und entsprechende Fehlverhaltensweisen“ nicht den Ursprung im SEK hätten, „sondern vielmehr von einigen der handelnden Personen dort hineingetragen worden sind“. Der Bericht beschäftigt sich auch damit, wie es dazu kommen konnte, dass die tatverdächtigen Beamten sich innerhalb des SEK hätten „festsetzen“ können. So habe es bei den Angehörigen des SEK „insgesamt wenig Wissen und Sensibilität für Aussagen und Symbole der rechtsextremistischen Szene“ gegeben. Innerhalb der zuständigen Abteilung und des gesamten Landeskriminalamtes seien der „gruppendynamische Prozess sowie ein möglicher rechtsextremer Hintergrund“ nicht erkannt worden.
Zwei Beamte wurden versetzt, ein Psychologe begleitet Einstellungen
Caffier hat Konsequenzen gezogen. Den Chef des Landeskriminalamts und den Chef der Polizeiabteilung im Innenministerium hat er versetzt. Das Auswahlverfahren solle künftig von einem Psychologen begleitet, Vorschriften für das Schießen überarbeitet werden. Am Donnerstag stellte Caffier den Bericht im Innenausschuss des Landtags vor. In seiner Bewertung der Ergebnisse hatte Caffier bereits am Dienstag hervorgehoben, dass ein Generalverdacht gegenüber der Polizei unbegründet sei. Nur diese eine Einsatzgruppe habe sich abschotten und ein „gewisses Eigenleben“ entwickeln können. Und der mutmaßliche Wortführer der Gruppe, Marko G., habe bereits vor seinem Eintritt in die Landespolizei rechtextremistische Auffassungen vertreten.
In dem pompösen Gerichtssaal sitzt G. am Donnerstag meist freundlich lächelnd zwischen seinen Anwälten. Ein kräftiger Mann, die grauen Haare kurzgeschnitten. Immer wieder schaut er hoch zum Balkon, wo die Zuschauer sitzen. Der Bericht, die Affäre um die Polizei, spielen in dem Verfahren keine weitere Rolle. Es geht nur um die Verstöße gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontroll- und das Sprengstoffgesetz. Er hatte bereits eingestanden, Waffen und Munition besessen zu haben, die er nicht hätte besitzen dürfen. In seiner Erklärung war das Bild eines Waffenbegeisterten gezeichnet worden, der es mit dem Überlebenstraining übertrieben habe. Dabei bleibt es am Donnerstag, an dem Zeugen über die erste Durchsuchung berichten. Ein Angestellter des zuständigen Landkreises sagt, er habe G. schon vorher gekannt: als guten Ansprechpartner in Waffenfragen.