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Prozess gegen „Gruppe S.“ : Wollten sie einen Bürgerkrieg anzetteln?

Die Angeklagten werden am Dienstag von Justizbeamten kurz vor Beginn des Prozesses in einen Saal im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim geführt. Bild: dpa

In Stuttgart müssen sich die mutmaßlichen Mitglieder einer rechtsterroristischen Gruppe vor Gericht verantworten. Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft planten sie einen Bürgerkrieg.

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          Die rechtsterroristische Gruppe S. gründete sich im Herbst 2019 auf dem Grillplatz „Hummelgautsche“ in der Nähe von Schwäbisch Gmünd. Die Gruppenmitglieder hatten sich zuvor monatelang intensiv über Messenger-Dienste wie Telegram ausgetauscht. Am 28. September des Jahres trat die Planung rechtsterroristischer Angriffe auf Muslime sowie auf Politiker wie Anton Hofreiter und Robert Habeck von den Grünen in eine neue Phase: Die Männer verließen den virtuellen Raum und begannen mit konkreteren Planungen, tauschten ihr Wissen über Waffen aus und die Möglichkeiten, sie zu beschaffen.

          Rüdiger Soldt
          Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.

          Dank einem Aussteiger kamen sie nicht weit: Die Ermittlungsgruppe „Valenz“ des baden-württembergischen Landeskriminalamts deckte die „Gruppe S.“ mit Hilfe der Aussagen des Mannes auf. Mitte Februar des vergangenen Jahres konnte die Polizei in mehreren Bundesländern fünf mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer der Gruppe festnehmen.

          An diesem Dienstag begann in Stammheim vor dem fünften Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart der Strafprozess gegen die Terrorgruppe. Werner S., einem der Anführer, und sieben weiteren Angeklagten wirft die Bundesanwaltschaft vor, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet und sich anschließend in dieser betätigt zu haben. Werner S. und Tony E. sollen Rädelsführer der Gruppe gewesen sein. Der 55 Jahre alte Werner S. war Schrotthändler, er gilt als Gründer der Gruppe und wohnte bis zur Verhaftung im Landkreis Augsburg. Tony E., ein 50 Jahre alter Krankenpfleger aus dem Landkreis Uelzen, gilt ebenfalls als Schlüsselfigur.

          Drei weitere Männer sind wegen der Mitgliedschaft in der „Gruppe S“ angeklagt, ein weiterer Mann wegen der Unterstützung der Gruppierung. Alle zwölf Angeklagten sind deutsche Staatsbürger, sie stammen aus Orten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Das Beunruhigende für die Ermittler und die Bundesanwaltschaft ist nicht nur die Brutalität, mit der die Gruppe S. schwere Gewalttaten plante, sondern auch, dass sich darin nicht nur dem Verfassungsschutz bekannte rechtsextremistische Altkader versammelt hatten.

          Zur Gruppe S. gehörten ganz normale Lageristen oder Trockenbauer, die sich im Internet radikalisiert und bis zu ihrer Festnahme unauffällig verhalten hatten. Andere Angeklagte waren Mitglieder beim „Freikorps Heimatschutz“, der Organisation „Wodans Erben Germanien“ oder der „Bruderschaft Deutschland“, einige bezeichnen sich als „Reichsbürger“ oder „Prepper“.

          Nachdem sie sich in der virtuellen Welt kennengelernt hatten, einte sie eine Strategie, ein Ziel: Sie wollten mit einem Anschlag auf eine Moschee mit zahlreichen Toten eine gewalttätige Antwort muslimischer Gruppierungen provozieren und nach Auffassung der Bundesanwaltschaft „bürgerkriegsähnliche Zustände“ herbeiführen, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik erschüttern und „letztlich überwinden“. Der Senat will das umfangreiche Strafverfahren bis Mitte 2022 abschließen.

          Im Mittelpunkt der Hauptverhandlung dürfte die Frage stehen, wie gut die Gruppe sich organisiert hatte, inwieweit sich die Vorbereitung der Anschläge belegen lässt und wie weit ihr Plan gediehen war, Geld und Waffen zu beschaffen. Die Angeklagten seien „gut vernetzt“ in der rechtsextremen Szene gewesen, einige hätten auch enge Kontakte zu Waffenlieferanten besessen, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft.

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