Präsident des Landkreistags : „Der Shutdown ist schon Realität“
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Ein verwaister Elberadweg vor der Altstadtkulisse Dresdens am Wochenende vom 21. März Bild: dpa
Der Präsident des Deutschen Landkreistags und Landrat im Kreis Ostholstein schildert die Situation in den Kommunen, wo jetzt alle Drähte zusammenlaufen. Die Verwaltung kommt an ihre Grenzen.
Wo erreichen wir Sie gerade? Arbeiten Sie auch im Homeoffice?
Nein, ich bin in der Kreisverwaltung in Eutin, noch mehr als sonst, weil auswärtige Termine weitgehend wegfallen. Aber die Arbeit geht natürlich auch weiter, wenn ich zu Hause bin.
Lässt sich eine ganze Verwaltung überhaupt ins Homeoffice verlegen?
Wir arbeiten hier mit der Anweisung, dass Führungskräfte Anwesenheitspflicht haben. Wir haben aber schon vor der Coronakrise die Möglichkeit zum Homeoffice ausgeweitet und tun das jetzt noch einmal in verstärktem Maße.
In den Kommunen laufen in der Coronakrise viele Fäden zusammen, vor allem natürlich in den Gesundheitsämtern. Ganz allgemein gefragt: Prasseln jetzt Vorgaben auf die Kommunen ein, die sie allein aus Kapazitätsgründen gar nicht stemmen können?
Es geht in zwei Richtungen: Es gibt Teile der Verwaltung, die sicher überlastet sind und 24 Stunden am Tag arbeiten müssen, andere sind mehr oder weniger stillgelegt, können Überstunden abbauen oder werden dort eingesetzt, wo jetzt Engpässe entstehen. Für viele Mitarbeitende gilt aber aus Sicherheitsgründen: am besten, man bleibt zu Hause.
Was ist im Augenblick die wichtigste Aufgabe?
Die allerwichtigste Aufgabe ist, dass wir mit den Mitteln, die uns das Infektionsschutzgesetz an die Hand gibt, dazu beitragen, dass die Infektionsketten des Coronavirus unterbrochen werden. Das machen wir entweder über Landesverordnungen oder, wenn es die nicht gibt, über Allgemeinverfügungen. Das sind Verwaltungsakte, die sich nach allgemeinen Merkmalen an einen bestimmten Personenkreis richten. Die Abriegelung der Inseln in Schleswig-Holstein funktioniert zum Beispiel so. Das machen bei uns die Kreise.
Lassen sich Infektionsketten überhaupt noch so unterbrechen, wie es zu Anfang der Coronakrise praktiziert wurde: Man ermittelt die Kontaktpersonen und verhängt Quarantäne? Oder ist das längst nicht mehr möglich, weil es einfach zu viele sind?
Nein, das machen wir prinzipiell weiter so. Das ist die Aufgabe der Gesundheitsämter, alle Kontakte zu ermitteln, dann die Personen anzusprechen und zu entscheiden, ob Quarantäne nötig ist. Die Ämter sind durch diese Aufgabe extrem belastet und machen einen unglaublich guten Job. Wenn die Infektionen allerdings noch weiter zunehmen, wird die Belastungsgrenze überschritten. In der Folge wird das Robert-Koch-Institut wahrscheinlich die Testungsstrategie an die dynamische Entwicklung anpassen.
In vielen Fällen scheint die Grenze schon jetzt überschritten. Vor allem, was die Corona-Tests angeht. Viele Menschen verstehen nicht, warum sie sich nicht testen lassen dürfen. Viele Getestete wiederum warten sehr lange auf ein Ergebnis. Ist das ein Engpass, der die Lage so unübersichtlich macht?
Die Tests machen in der Regel nicht die Kommunen, nicht die Gesundheitsämter, sondern die Kassenärztliche Vereinigung. In den Gesundheitsämtern fallen aber alle Vorbereitungen und Nachbereitungen an, zum Beispiel die Benachrichtigung der Patienten über ihr Testergebnis. Da stoßen die Ämter bundesweit in der Tat an ihre personellen Grenzen. Da muss gegebenenfalls auf verwaltungsinterne Arbeitskräfte zurückgegriffen werden oder aber auch auf Freiwillige. Anders wird es nicht möglich sein. Es muss jedenfalls gewährleistet sein, dass die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts, die ja genau beschreiben, wann getestet werden soll und wann nicht, erfüllt werden können.
Derzeit ist die Vorgabe, dass nur getestet werden soll, wer starke Symptome hat. Alle anderen sollen in Quarantäne gehen. Kommen Sie mit einer solchen Maßgabe zurecht?
Es ist schwer, einem Menschen einen Test zu verweigern, wenn er den gerne machen will.
Ein Mittel zur Vorbeugung sind die Ausgangsbeschränkungen, die jetzt verfügt wurden. Reichen die?
In Schleswig-Holstein ist schon viel passiert. Restaurants und Gaststätten sind schon seit Tagen geschlossen - nicht erst seit diesem Wochenende. Die Landesregierung hat Touristen verboten, ins Land zu kommen. Hotels dürfen keine Touristen mehr aufnehmen. Wir haben allen Rückreisenden aus Risikogebieten untersagt, an ihren Arbeitsplatz oder in Gemeinschaftsräume wie Kitas, Schulen oder Sporthallen zu gehen. Wir haben jetzt verfügt, dass Tausende von Zweitwohnungsbesitzern nicht anreisen dürfen. Deshalb muss man nun fragen: Was bringen Ausgangssperren eigentlich noch zusätzlich? Der Shutdown ist jedenfalls weitestgehend schon Realität.