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BfV-Chef Thomas Haldenwang : Waschen ohne Plätschern

Thomas Haldenwang Bild: AP

Thomas Haldenwang ist der neue Chef des Verfassungsschutzes. Er soll das Image seines Amtes geraderücken, aber bitte so, dass keiner etwas merkt. Seine Biographie hilft dabei.

          7 Min.

          Als Thomas Haldenwang, der neue Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zum ersten Mal vor die Presse trat, stellte ein Journalist ihm eine scheinbar abwegige Frage: ob er etwas über „linksradikale Kräfte“ in der SPD wisse. Haldenwang, der in Begleitung des Innenministers Horst Seehofer erschienen war, wirkte nicht überrascht. Das Thema lag in der Luft. Kurz zuvor erst hatte sein gerade gefeuerter Vorgänger, Hans-Georg Maaßen, vor solchen „Kräften“ gewarnt.

          Konrad Schuller
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Belege hatte er nicht. Weil er aber vorher schon behauptet hatte, bei den rechtsextremistischen Ausschreitungen von Chemnitz im August habe es keine „Hetzjagden“ auf Migranten gegeben, sagten seine Gegner nun, er nehme es nicht so genau mit der Gefahr von rechts. Maaßen flog. Die scheinbar abwegige Journalistenfrage nach „Linksradikalen“ in der SPD hatte damit einen versteckten Kern: Herr Haldenwang, wie halten Sie es mit ihrem Vorgänger?

          Der Neue hörte zu, und ein feines Lächeln gab ihm für eine Sekunde das Aussehen eines Fuchses. Dann fing er sein Mienenspiel wieder ein und tastete sich an die Antwort heran. Zuerst sagte er, falls sein Amt jemals irgendwelche „Erkenntnisse“ über Extremisten in der SPD gewinne, werde das sicher dort stehen, wo es hingehöre: im nächsten Verfassungsschutzbericht. Dann ging er aufs Ganze: Er glaube „aber eigentlich nicht“, dass da so etwas drinstehen werde. Pause. Jeder konnte sehen, wie Maaßens „linksradikale“ SPD den Gully hinabrauschte. Haldenwang aber hatte das Kunststück vollbracht, seinen Vorgänger fortzuspülen, ohne ihn auch nur mit einer Silbe zu erwähnen.

          Ein Lob von Seehofer

          In diesem Augenblick wurde er unterbrochen. „Woar scho sehr gut“, sagte ein Bass von links. – Seehofer, der Dienstherr. Haldenwangs Gesicht schwang hinüber, das Lächeln schoss wieder hoch. Dann lachte er auf wie ein Kind, das ein Überraschungsei bekommt, und sagte: „Danke.“ Jetzt lachte auch Seehofer.

          Was war so toll an Haldenwangs Worten, dass Seehofer „sehr gut“ sagen musste? – Der Neue hatte eine knifflige Aufgabe gelöst. Eine, vor welcher der Minister vor kurzem noch selbst gestanden hatte. Seehofer nämlich hatte Maaßen nach seinen umstrittenen Äußerungen zu Chemnitz zuerst noch unterstützt. Die beiden hatten sich verstanden, beide waren sie scharfe Kritiker der Bundeskanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik. Dann aber war der Chef des Verfassungsschutzes zu weit gegangen.

          Er schwadronierte nicht nur von „Linksradikalen in der SPD“, sondern er verstärkte mit Schimpftiraden auf „Medien“ sowie „Grüne und Linke“ auch das AfD-Motiv von der versifften Lügenpresse. Seehofer musste den Verfassungsschutzpräsidenten, den er so lange gedeckt hatte, schließlich feuern. Er musste nur dafür sorgen, dass dieses Feuern nicht wie das Geständnis eines Fehlers wirken durfte. Die Waschmaschine musste waschen, aber möglichst so, dass keiner es plätschern hörte. So versichert Seehofer bis heute bei jeder Gelegenheit, Maaßen sei keineswegs „auf dem rechten Auge blind“ gewesen.

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