Sexuelle Nötigung : Anklage gegen früheren Inspekteur der Polizei erhoben
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Durchsuchung im Innenministerium in Stuttgart am 6. Mai 2022. Bild: dpa
In Stuttgart soll der höchste Polizeibeamte einer Polizistin eine Beförderung zugesagt haben, wenn sie zu sexuellen Diensten bereit sei. Der Fall belastet auch Innenminister Strobl.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen den früheren „Inspekteur der Polizei“ (IdP) wegen sexueller Nötigung Anklage erhoben. Der höchste Polizeibeamte, der gemeinsam mit Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz die baden-württembergische Polizei mit etwa 35.000 Beamten und Angestellten führt, soll Ende 2021 einer Polizistin eine Beförderung zugesagt haben, wenn sie zu einer sexuellen Dienstleistung bereit sei.
Der Vorfall soll sich in einer Videokonferenz zugetragen haben. Der Inspekteur war mit 47 Jahren der jüngste Inspekteur in der Geschichte des Landes, er war außergewöhnlich schnell vom stellvertretenden Chef des Landeskriminalamtes (LKA) zum ranghöchsten Polizeivollzugsbeamten befördert worden. Mittlerweile ist er vom Dienst suspendiert worden.
Zur Aufklärung der Vorgänge in der Polizei haben SPD und FDP den Untersuchungsausschuss „IdP und Beförderungspraxis“ eingesetzt, dort ist aber bislang nur Innenminister Thomas Strobl (CDU) vernommen worden. Auch gegen ihn hatte die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der IdP-Affäre zunächst ermittelt, nachdem Strobl einen Brief des Anwalts des beschuldigten Polizisten an einen Journalisten hatte faxen lassen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen eines Verstoßes gegen Paragraph 353d Strafgesetzbuch. Er verbietet in laufenden Strafverfahren die Veröffentlichung bestimmter Dokumente, ehe sie durch eine mündliche Verhandlung öffentlich geworden sind.
Verfahren gegen Strobl wurde eingestellt
Das Verfahren gegen Strobl ist vor zwei Wochen gegen die Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro eingestellt worden, Strobl ist damit nicht vorbestraft und gilt als unschuldig. Die Opposition rückt ihn dennoch in die Nähe eines Straftäters und fordert seinen Rücktritt.
Im Zuge der weiteren Recherchen des Untersuchungsausschusses könnte sich dem Vernehmen nach herausstellen, dass es wesentlich häufiger zu sexuellen Übergriffen in der Polizei kommt als bisher angenommen. Allerdings ist fraglich, ob der Minister hierfür eine Verantwortung trägt. Außerdem wollen die Obleute von SPD und FDP noch genauer untersuchen, ob parteipolitische Präferenzen etwa bei der Besetzung von Präsidentenstellen oder auch bei Führungspositionen im Innenministerium eine Rolle gespielt haben. Strobl bestreitet das vehement.
Im Untersuchungsausschuss könnte außerdem eine Rolle spielen, warum Strobl die Staatsanwaltschaft nicht ermächtigt hat, auch in seinem Ministerium wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen zu ermitteln. Normalerweise muss die Hausspitze die Staatsanwaltschaft zu solchen Ermittlungen ermächtigen. In der Regel betreffen sie aber nachgeordnete Behörden oder Mitarbeiter. Für den vorliegenden Fall, in dem die Führung des Ministeriums selbst involviert ist, existiert im Gesetz offenbar eine Regelungslücke, die von Rechtswissenschaftlern schon länger kritisiert wird.
Ende November soll Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Untersuchungsausschuss aussagen. Strobl selbst könnte als Zeuge im Strafverfahren gegen den Polizeiinspekteur geladen werden. Die Anklageerhebung gegen diesen und der Untersuchungsausschuss dürften ihn noch einige Zeit politisch belasten, auch wenn sich Strobl in den Regierungsfraktionen und im CDU-Landesverband politisch abgesichert hat.