Plagiatjäger und ihre Beute : Studien zum Herumdoktorieren
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Die entscheidende Frage für Frau Schavan wird sein, ob man in Düsseldorf den hermeneutischen Schlussfolgerungen des Gutachters folgt. Bild: dapd
Die Plagiatssucher im Internet fahnden mit kleinteiligen Wortabgleichen nach Zitierfehlern in Dissertationen. Ein ähnlich technizistisches Textverständnis offenbart auch das Gutachten der Düsseldorfer Universität.
Schon zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode musste die Bundeskanzlerin an diesem Montag einem Mitglied ihres Kabinetts den Rücken stärken, das unter massivem Plagiatsverdacht steht. Dieses Mal handelt es sich auch noch um eine ihrer engsten Gesprächspartnerinnen in Berlin, um Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die seit 2005 Ministerin im Kabinett ist. Sie habe den notwendigen Respekt vor der unabhängigen Arbeit der Universität Düsseldorf, fügte die Kanzlerin sogleich hinzu, um sich nicht wieder Kritik von Seiten der Wissenschaft einzuhandeln wie damals in der Guttenberg-Affäre.
Mit Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat begonnen, was für die FDP-Politiker Silvana Koch-Mehrin, Georgios Chatzimarkakis, die FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos, den Berliner Fraktionsvorsitzenden Florian Graf (CDU) und so manchen anderen Landtagsabgeordneten sowie den Sohn und die Tochter Edmund Stoibers mit dem Entzug des Doktortitels endete. Der Doktortitel ist in Deutschland im Unterschied zu anderen europäischen Ländern Bestandteil des Namens, er ist nach wie vor ein Merkmal des gebildeten Bürgertums, prangt auf dem Personalausweis, auf Briefköpfen, Visitenkarten oder goldenen Klingelschildern. Franzosen etwa blicken mit einem spöttischen Lächeln auf derlei Eigenheiten ihrer Nachbarn, deren Titelgläubigkeit nur noch von den Österreichern übertroffen wird.
Alle genannten Politiker haben nachweislich plagiiert, die Funde der Plagiatsjäger im Internet konnten nur noch von den betroffenen Universitäten bestätigt werden. Von den Plagiaten, die im Zuge eines Promotionsverfahrens von Universitäten selbst aufgedeckt werden, erfährt die Öffentlichkeit in aller Regel nichts. Aber hier geht es um Politiker, um Prominente und der Internetschwarm kann durch die Bedeutung des Beschuldigten in der Öffentlichkeit mit erhöhter Aufmerksamkeit rechnen. Der Bedeutungszuwachs für eine Gruppe anonymer Internetexistenzen mit Sammlertrieb ist gewaltig. Wer sind diese Plagiatsjäger eigentlich?
Die Plagiatssuche als moderne Hexenjagd
Gescheiterte Akademiker, Informatiker, Pedanten oder Zeitgenossen, die eine Leidenschaft dafür entwickelt haben, promovierten Prominenten Fehler nachzuweisen und sie im Zweifel auch „abzuschießen“? Noch bei der Guttenberg-Affäre konnte man den Eindruck gewinnen, dass es den Plagiatsjägern um korrekte Regeln des Zitierens, um Eigenständigkeit, um Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, also um hehre wissenschaftliche Ideale geht. Die unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen haben darauf reagiert.
Universitäten begannen, ihre Promotionsordnungen zu überarbeiten, Fakultäten überlegten, welche fachspezifischen Zitationsweisen und Arbeitstechniken sie wie bewerten wollen, eidesstattliche Erklärungen wurden vielerorts eingeführt, alles in allem haben die Plagiatsjäger eine Verschärfung der bisherigen Regeln erreicht. Wurde etwa bei früheren Dissertationen gerade in den Geisteswissenschaften manche Schlamperei in den Fußnoten oder beim Paraphrasieren dann akzeptiert, wenn die Eigenleistung der Arbeit insgesamt erkennbar war. Inzwischen scheint es allerdings so, als seien die Plagiatsplattformen des Internets zu einem modernen Pranger geworden, die Plagiatssuche zu einer modernen Form der Hexenjagd. Das wirkt sich selbst in den Berufungsverfahren von Universitäten aus. So soll es sogar Bewerber um Professuren geben, die rechtzeitig einen Plagiatsvorwurf lancieren, um den Konkurrenten zur Strecke zu bringen und ein neues Berufungsverfahren zu erzwingen.