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Neue Pisa-Studie : Lesemuffel auf dem Niveau von Analphabeten

Eine Lehrerin schreibt an die Tafel (Archivbild). Bild: dpa

Jeder fünfte fünfzehnjährige Schüler in Deutschland kann nur einfache Sätze lesen und verstehen. Das zeigt die neue Pisa-Studie. Erfreulich ist allerdings, dass auch der Anteil der Spitzenleser gestiegen ist.

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          Jeder fünfte 15 Jahre alte Schüler in Deutschland kann nicht sinnverstehend lesen. Die Schüler liegen beim Lesen deutlich über dem OECD-Durchschnitt, lesen aber erheblich schlechter als Schüler in Estland, Kanada und Finnland. Die Gruppe der Leseschwachen in den nicht gymnasialen Schulformen ist wieder gewachsen und liegt bei 29,2 Prozent, 2015 waren es noch 21,1 Prozent. Der Anteil der Jungen auf der untersten Kompetenzstufe mit nur rudimentären Lesekenntnissen hat sich erhöht, der Anteil der Mädchen blieb gleich. Insgesamt liegen 21 Prozent der 15 Jahre alten auf den untersten Kompetenzstufen, können also nur einfache Sätze und nur wenige Informationen entnehmen. Die Lesefähigkeit dieser Schüler liegt nahe bei den Kenntnissen der funktionalen Analphabeten, die in Deutschland mit 6,2 Millionen beziffert werden.

          Heike Schmoll
          Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.

          Die repräsentative Pisa-Studie untersucht alle drei Jahre, wie gut Jugendliche zum Ende ihrer Pflichtschulzeit grundlegende Kompetenzen im Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften in alltäglichen Situationen anwenden können. In Deutschland nahmen 5500 Schüler an 220 Schulen aller Schularten teil. Insgesamt waren es 600.000 Jugendliche im Alter von 15 Jahren in den 37 Mitgliedsstaaten der OECD, die die Studie koordiniert und in 42 Partnerländern durchführt.

          Der OECD-Mittelwert liegt im Lesen bei 23 Prozent auf den untersten Stufen. In Estland liegt der Anteil der schwachen Leser bei nur 11 Prozent, in Irland bei 12 Prozent und in Finnland und Kanada bei 14 Prozent. Die Förderung besonders leseschwacher Schüler müsse über alle Schularten hinweg in Angriff genommen werden. „Dabei darf nicht in Vergessenheit geraten, dass eine Unterstützung der Leistungsspitze eine zentrale Aufgabe bleibt“, schreiben die Forscher.  Die Streuung, also die Unterschiede zwischen den stärksten und schwächsten Lesern, sind in Deutschland noch erheblich gewachsen. Das gilt aber selbst für Länder mit guten Ergebnissen wie Finnland, das sich insgesamt deutlich verschlechtert hat und beim Lesen regelrecht eingebrochen ist.

          Schüler in Deutschland verfügen über das höchste Lesestrategiewissen im gesamten OECD-Vergleich, doch sie scheinen es nicht anwenden zu können. Sie wissen, dass es sinnvoll sein kann, die wichtigsten Sätze im Text zu unterstreichen, sie anschließend in eigenen Worten zusammenzufassen. Im Idealfall kann ein Schüler seine Lesestrategien je nach Aufgabenstellung und eigenen Fähigkeiten variieren. Offenkundig wurde viel Zeit in die Vermittlung von Lesestrategien verwendet, aber zu wenig Übungszeit eingeplant und zu wenig Wert auf Lesemotivation gelegt.

          Auch wenn die Anzahl der Schüler mit Migrationshintergrund zehn Prozentpunkte höher liegt als bei der vorigen Pisa-Studie aus dem Jahr 2015, lesen Schüler im Durchschnitt gleich gut wie bei früheren Pisa-Studien. Doch das Mittelmaß genüge nicht in einem innovationsfreudigen Land, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Hessens Kultusminister Andreas Lorz (CDU) zeigte sich auch nicht wirklich zufrieden mit den Ergebnissen. Zwar bewege sich Deutschland insgesamt in die richtige Richtung, doch gebe es „reichlich Luft nach oben“, so Lorz im Blick auf die Ergebnisse der Spitzengruppe im Pisa-Vergleich.

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