Personallage der CDU : Enthauptungsschlag
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Vorbei: Als dieses Bild entstand, im März 2011 - nach Fukushima -, gehörte Röttgen (Mitte) noch zu den Siegern der Energie-Weltgeschichte. Merkel und Pofalla folgten seiner Meinung in der Atomfrage Bild: AFP
Kohl hatte seinerzeit Geißler im Verdacht gehabt, ihn stürzen zu wollen. Im Verhältnis zwischen Merkel und Röttgen gab es durchaus Parallelen. Doch anders als zu Kohls Zeiten gehen der CDU die Politiker aus, die Säle füllen können.
Angela Merkel hat nicht bloß einen Umweltminister entlassen. Die Bundeskanzlerin hat sich auch nicht nur von einem Parteifreund getrennt, von dem es noch vor gar nicht langer Zeit geheißen hatte, er gehöre zu ihren politischen Vertrauten. Die CDU-Vorsitzende hat auch nicht nur die innerparteiliche Karriere eines ehrgeizigen und ambitionierten Politikers beendet. Angela Merkel hat einem ganzen Flügel der CDU den Kopf abgeschlagen.
Norbert Röttgen stand für den Teil der CDU, der sich mit Begriffen wie „Schwarz-Grün“, „Öffnung zu neuen Wählerschichten“, „Liberales Bürgertum“ umschreiben lässt. Dessen intellektuellen Wortführer („Vordenker“) hat sie vom Hof der Macht gejagt. In der Geschichte der CDU lässt sich der Vorgang dieses Mal nur mit der Entscheidung Helmut Kohls 1989 vergleichen, Heiner Geißler nicht wieder zum CDU-Generalsekretär ernennen zu wollen. Geißler stand damals für den Teil der CDU, der bis in die vergangene Woche von Röttgen repräsentiert wurde. Tatsächlich hatte sich Röttgen selbst einst als Schüler Geißlers bezeichnet.
Bei aller Treue zu Merkel
Kohl hatte Geißler im Verdacht gehabt, ihn stürzen zu wollen. Die Zeit wird es erweisen, ob sich Frau Merkel in einer ähnlichen Lage gesehen und dann als Machtpolitikerin im Sinne Kohls entschieden hat. Kohls Kanzlerschaft wurde zu jener Zeit - bei der Bundestagswahl 1990 - durch den Umbruch in Europa stabilisiert. Womöglich sieht sich Frau Merkel in vergleichbarer Lage: die Wende in der Energiepolitik, der Kampf um den Erhalt des Euro. Doch anders als zu Kohls Zeiten gehen der CDU-Führung mit der Zeit die Politiker aus, die in Wahlkämpfen die Säle füllen können.
Aus dem Kabinett bleiben noch Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière und Wolfgang Schäuble. Der Arbeitsministerin werden ziemlich weitgehende Ambitionen nachgesagt, der Verteidigungsminister gilt - bei aller Treue zu Frau Merkel - als kanzlerfähig. Der Finanzminister wiederum hat eigene Erfahrungen mit dem Machtwillen Frau Merkels machen müssen. Zweimal musste er zurückstehen. Den Brief zur Trennung von Kohl schrieb 1999 die damalige CDU-Generalsekretärin Merkel ohne Wissen des CDU-Vorsitzenden Schäuble, später dann machte sie ihn nicht zum Präsidentschaftskandidaten.
Röttgen hatte zu jener Gruppe („Pizza-Connection“) von CDU-Politikern gehört, die fast gleichzeitig mit Frau Merkel in den Bundestag gewählt wurden. Sie waren früher als junge Leute auch persönlich untereinander befreundet. Zur Verärgerung Kohls dachten sie - wie später dann auch die aus Ostdeutschland kommende Angela Merkel - über die „Zeit nach Kohl“ nach. Sie trafen sich sogar mit Altersgenossen von der Partei „Die Grünen“, was zur damaligen Zeit in den Augen der Altvordern ein ungehöriger Vorgang gewesen war. Sie plädierten für Änderungen des Ausländerrechts, was nach den Maßstäben der damals führenden Innenpolitiker der Union - genannt seien Innenminister Kanther und der CSU-Abgeordnete Wolfgang Zeitlmann - mindestens genauso verabscheuungswürdig war.
Zu dieser Gruppe der damals jungen Bundestagsabgeordneten gehörten: Peter Altmaier, Hermann Gröhe, Eckart von Klaeden, Andreas Krautscheid, Ronald Pofalla und Norbert Röttgen. Nach herkömmlichen Maßstäben war Röttgen der ehrgeizigste von ihnen. Er schrieb auch Bücher, um Ansprüche intellektuell zu unterfüttern. Der beste Debattenredner war er auch. Interne Differenzen blieben nicht aus. Krautscheid ist mittlerweile aus der Politik ausgeschieden. Die anderen aber wurden gerne Merkels „Boy group“ genannt, weil sie innerparteilich die wichtigsten Helfer Frau Merkels waren. Sie wurden an zentralen Machtpositionen plaziert. Gröhe ist CDU-Generalsekretär, seit sein Vorgänger Pofalla Chef des Bundeskanzleramtes ist. An der Spitze der Fraktion wirkte Röttgen als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer; als er Umweltminister geworden war, folgte Altmaier, der nun abermals Röttgens Nachfolger wird.