Pegida : Unreinheiten eines vermeintlichen Hochkaräters
- -Aktualisiert am
Ort der Erleichterung: Pegida-Anhänger am Montagabend in Dresden. Bild: Gommlich, Robert
Für seine „Festrede“ erhält Akif Pirincci eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Während der Schriftsteller selbst einigen Pegida-Anhängern zu radikal ist, vernetzt sich die Bewegung in Europa.
Noch vor ein paar Wochen hatte Pegida-Gründer Lutz Bachmann „große Namen“ zum einjährigen Bestehen der asyl- und islamfeindlichen Bewegung versprochen. Gemunkelt wurde über den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, der bereits im Frühjahr in Dresden gewesen war, den österreichischen FPÖ-Mann Heinz-Christian Strache, den Bachmann stets ehrfürchtig „H. C. Strache“ nennt, und sogar über den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der von Pegida-Teilnehmern als Held gefeiert wird. Doch keiner dieser Politiker sprach am Montagabend in Dresden, stattdessen hielt der deutsch-türkische Autor Akif Pirincci die „Festrede“, die am Ende selbst viele Pegida-Anhänger irritierend fanden.
Noch in der Nacht ging bei der Staatsanwaltschaft Dresden eine Anzeige gegen Pirincci ein, und seit Dienstag ermittelt diese gegen den Autor wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Pirincci hatte über eine Einwohnerversammlung im hessischen Lohfelden gesprochen, auf welcher der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) einem Anwohner, der gegen die Unterbringung von Flüchtlingen protestierte, geantwortet haben soll: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen.“ Das sei wohl derzeit das einzige Mittel, um protestierende Deutsche loszuwerden, sagte Pirincci, und dann folgte der Satz, der zur Strafanzeige führte: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“
Eine Rede voller Hass
Bereits zuvor hatte er Deutschlands Politiker beschuldigt, „zunehmend als Gauleiter gegen das eigene Volk“ zu agieren. Pirincci, von Lutz Bachmann als „Hochkaräter“ angekündigt, wurde in den achtziger Jahren mit Katzenkrimis bekannt, er publiziert seit einigen Jahren überwiegend in rechtspopulistischen Medien und hat mit ebensolchen Büchern Erfolg. Seine gesamte Rede am Montagabend war voll von Hass und Unflätigkeiten gegen Muslime sowie Politiker und geprägt von einer vulgär-pubertären, sexistischen Fäkalsprache. So prophezeite er Deutschland eine Zukunft als „Moslem-Müllhalde“, bezeichnete die Grünen als „Kinderfickerpartei“, die Medien als „grün-links versiffte Systempresse“ und Asylbewerber als „Deutschlands künftige Schlächter“. Das wurde schließlich sogar einem Teil der Pegida-Anhänger zu viel, die plötzlich begannen, die Veranstaltung zu verlassen. Als dann auch noch Pfiffe und „Aufhören, aufhören!“-Rufe ertönten, musste Pirincci von der Bühne gehen.
Am Dienstag entschuldigte sich Bachmann in dem sozialen Netzwerk Facebook für Pirinccis Auftritt. Es handle sich um einen „gravierenden Fehler“, schrieb Bachmann. Die von Pirincci gehaltene Rede sei nicht abgesprochen gewesen. „Ich hätte in diesem Moment die einzig richtige Entscheidung treffen und sofort das Mikro abschalten müssen“, so Bachmann. Er trage die alleinige Schuld „für diesen unmöglichen Auftritt“, deshalb bleibe ihm nichts anderes übrig, als sich „öffentlich und aufrichtig zu entschuldigen“.
2000 Beamte aus sechs Bundesländern im Einsatz
Schätzungen zufolge hatten sich bis zu 20.000 Teilnehmer zu der bisher größten Pegida-Kundgebung in diesem Herbst eingefunden. Während der mehr als drei Stunden dauernden Veranstaltung ergriffen auch mehrere Vertreter rechtspopulistischer Parteien aus ganz Europa das Wort, darunter aus Polen und der Tschechischen Republik sowie von der aus der britischen Hooligan-Szene hervorgegangenen „English Defense League“ und der fremdenfeindlichen Partei „Lega Nord“ aus Italien. Offenbar versucht sich Pegida mangels Unterstützung innerhalb Deutschlands nun mit europäischen Rechtspopulisten zu vernetzen. Man kämpfe gemeinsam gegen die Zerstörung der Familie sowie gegen Identitätsverlust und Masseneinwanderung, sagten mehrere Redner.
Die Polizei, die mit knapp 2000 Beamten aus sechs Bundesländern im Einsatz war, hatte von Anfang an Mühe, die Pegida-Anhänger von den 15.000 Teilnehmern der Gegendemonstrationen zu trennen. Immer wieder versuchten gewaltbereite Gruppierungen beider Seiten zur jeweils anderen Seite durchzubrechen; die Polizei setzte zur Abwehr Pfefferspray ein. Bereits vor Beginn waren Rechtsradikale und Hooligans unter Rufen wie „Hier regiert der nationale Widerstand“ durch die Innenstadt zur Pegida-Demonstration gezogen; zudem lieferten sich militante Antifa-Gruppen Scharmützel mit der Polizei und versuchten, Barrikaden zu errichten.
Unter dem Eindruck der Ausschreitungen forderte die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Dienstag eine stärkere Beobachtung der Pegida-Bewegung durch den Verfassungsschutz. „Ich bin der Überzeugung, dass die Landes- und Bundesverfassungsorgane jetzt dringend diese Menschen unter die Lupe nehmen müssen“, sagte Fahimi im Deutschlandfunk. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und der Linkspartei-Politiker Gregor Gysi sprachen sich am Dienstag gegen ein Verbot der Pegida-Bewegung aus, damit tue man Pegida „nur einen Gefallen“, sagte Özdemir. Gysi riet, vor einer Entscheidung das Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD abzuwarten.
Strafanzeige gegen de Maizière
Nach Angaben des sächsischen Verfassungsschutzes ist bei den Dresdner Pegida-Organisatoren bisher keine Einflussnahme durch einschlägig bekannte Rechtsextremisten festzustellen. Die Bewegung sei nach wie vor kein Beobachtungsobjekt, sagte Sprecher Martin Döring der FAZ. Man verfolge die Entwicklung aber sehr aufmerksam. Am Sonntag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Organisatoren vorgeworfen, „harte Rechtsextremisten“ zu sein. Sein Ministerium präzisierte die Aussage später insofern, dass vielerorts Rechtsextremisten versuchten, auf Pegida-Ableger Einfluss zu nehmen.
Bachmann kündigte am Montagabend deshalb eine Strafanzeige gegen de Maizière wegen Verleumdung an. Zugleich erklärte er, Deutschland als „Land der Dichter und Denker“ und die Kultur von Einstein, Dürer, Bach und Beethoven bewahren und verteidigen zu wollen. Einem nicht geringen Teil der Teilnehmer schien das gleichgültig zu sein – sie erleichterten sich während und nach der Demonstration kollektiv an umliegenden Kultureinrichtungen wie der Hofkirche, der Gemäldegalerie „Alte Meister“ und der Semperoper.