Chaos bei den Liberalen : Die unklare Kante der FDP
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Wollen Wolfgang Kubicki, Christian Lindner und der Rest der FDP noch dasselbe? Bild: Reuters
Die FDP wird in dieser Wahlperiode Opposition sein. Sagt Christian Lindner. Oder vielleicht, hoffentlich, unter gewissen Umständen doch regieren. Sagen andere in der Partei. Ja, was denn nun?
Am Dienstagabend verschickte die FDP eine Pressemitteilung. Darin stand, dass das Präsidium der Partei eben in einer Telefonkonferenz einstimmig beschlossen habe, „für diese Wahlperiode des Deutschen Bundestages die Oppositionsrolle“ anzunehmen. Bemerkenswert war nicht, was beschlossen wurde, sondern, dass es überhaupt zur Diskussion stand. Eigentlich hatte ja der Parteivorsitzende Christian Lindner vor drei Wochen schon alles gesagt, in der Nacht, als er die Jamaika-Sondierungen abbrach: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“
Also nicht regieren. Opposition. Diese Entscheidung war in der FDP erst mal gut angekommen. Am nächsten Morgen, ein paar Stunden nach dem Scheitern der Sondierungen, hatte man sich zu einer großen Sitzung getroffen; ausnahmsweise Bundesvorstand und Fraktion zusammen. Als Lindner und sein Sondierungsteam auftraten, erhoben sich alle von ihren Stühlen: Applaus. Am Ende von Lindners Bericht: noch mal großer Beifall. Keine Rede von Regieren. Inzwischen sieht die Sache anders aus.
„FDP-Politiker will neue Jamaika-Gespräche“
In Wählerumfragen hat die FDP deutlich Stimmen verloren. Auch Lindners Beliebtheit ist eingebrochen; im ARD-Deutschland-Trend bekommt er noch 28 Prozent Zustimmung, vor einem Monat waren es 45. Vor allem Unternehmer kritisieren die FDP hart; ausgerechnet die, die sonst immer loben. Das lässt die Partei nicht kalt. Am Montag verschickte der FDP-Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende in Thüringen Thomas Kemmerich eine Pressemitteilung. Er ist auch Vorsitzender des „Liberalen Mittelstands“, einer Unternehmervereinigung, die der FDP nahesteht. Kemmerich überschrieb seine Meldung mit: „Verhandlungen ohne Merkel wiederaufnehmen“. Die Mittelständler wollten einen zweiten Anlauf für Gespräche mit der Union. Ein paar Tage vorher hatte schon Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der FDP die Hölle heißgemacht. „Eine Schande“ sei es, dass Lindner abgebrochen habe, er hätte Verantwortung übernehmen sollen.
Kemmerich warnte nun davor, dass eine große Koalition fatale Folgen für den Mittelstand hätte; das Land brauche eine „Regierung, die Deutschland mutig und beherzt in die Zukunft führt“, möglichst mit der FDP. Damit schaffte es Kemmerich am nächsten Tag, dem Dienstag, auf die Titelseite der „Bild“- Zeitung. Überschrift: „FDP-Politiker will neue Jamaika-Gespräche“, obwohl Kemmerich Gespräche mit der Union gefordert hatte, nicht mit den Grünen, und das auch nur, wenn Merkel abtrete. Immerhin: Er hatte sich noch nicht mit der Rolle in der Opposition abgefunden.
Die „Bild“-Meldung las auch der Journalist Dieter Wonka. Er arbeitet als Chefkorrespondent für das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, das verschiedene Zeitungen beliefert. Wonka simste Wolfgang Kubicki an, den zweitwichtigsten Mann in der FDP: Jamaika ohne Merkel denkbar? Kubicki antwortete nicht etwa mit Nein. Zur Zukunft von Merkel äußere er sich nicht, aber: „Eines ist doch klar: Scheitert die GroKo, haben wir eine andere Lage.“ Und: „Selbstverständlich werden die Freien Demokraten im Licht der Entwicklung neue Bewertungen vornehmen. Wir sind schließlich keine Dogmatiker.“ Wonka sagt, Kubicki habe ihm versichert, dass er das für eine Meldung halte. Die schrieb Wonka dann auch auf und schickte sie mittags an die Nachrichtenagenturen; seine Überschrift war: „Kubicki bringt ein Comeback von Jamaika ins Spiel“.