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Organspende : Der lebende Mensch ist keine Sache

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Entnahme einer Niere am Universitätsklinikum Jena

Entnahme einer Niere am Universitätsklinikum Jena Bild: dpa

Den Hirntod als Zeitpunkt des Todes eines Menschen zu betrachten, ist medizinisch problematisch und ethisch fragwürdig. Hirntote können noch jahrelang am Leben gehalten werden. Erst eine Organentnahme führte dann zum Tod.

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          In diesem Jahr ist die juristische und ethische Debatte um das Thema Organspende neu entflammt. Im März hatten sich die Fraktionsvorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien mit Gesundheitsminister Daniel Bahr auf einen Gesetzentwurf zur Änderung des Transplantationsgesetzes geeinigt, der zusammen mit einem weiteren Änderungsgesetz der Bundesregierung am 25. Mai mit überwältigender Mehrheit vom Bundestag angenommen wurde. Dadurch wird die bisher geltende erweiterte Zustimmungslösung zur Organentnahme für Transplantationszwecke mit Wirkung vom 1. November 2012 in eine Entscheidungslösung umgewandelt. Die gesetzlichen und privaten Krankenkassen müssen erstmals 2012/13 - dann alle zwei Jahre und nach der Entwicklung einer speicherfähigen elektronischen Gesundheitskarte schließlich alle fünf Jahre - ihre Versicherten anschreiben und die Organspendebereitschaft im Fall ihres Todes abfragen.

          Als Kriterium für den „Tod des Menschen“ gilt der sogenannte Hirntod, dessen 1968 an der Harvard-Universität entwickelte Definition schon 1997 auch im deutschen Transplantationsgesetz verankert wurde. Dort heißt es in Paragraph 3 Absatz 2: „Die Entnahme von Organen oder Geweben ist unzulässig, wenn nicht vor der Entnahme bei dem Organ- oder Gewebespender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist.“

          Definitionsmacht über das Ende des Lebens

          Die aus dieser Todesdefinition resultierende ethische und rechtliche Grundsatzfrage wird sowohl im jetzt geänderten Transplantationsgesetz als auch in der öffentlichen Debatte gerne ausgeblendet: Handelt es sich beim „Hirntod“ lediglich um den kompletten Funktionsausfall eines wichtigen Organs, oder stirbt mit dem Gehirn auch die Seele des Menschen, sofern dieser aus der religiösen Sphäre stammende Ausdruck in einer säkularen Gesellschaft überhaupt noch zulässig ist? Beim Thema „Hirntod“ schreibt unsere Gesellschaft der naturwissenschaftlichen Medizin eine Entscheidungskompetenz zu, die einem Definitionsmonopol über das Ende des menschlichen Lebens gleichkommt.

          So führte der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer zum Entwurf des Transplantationsgesetzes am 25. Juni 1997 vor dem Bundestag aus: „Die Definition des Todes ist keine Aufgabe der Politik oder des Gesetzgebers. Allein die naturwissenschaftliche Forschung kann für alle Menschen in gleicher Weise feststellen, welche körperlichen Befunde Leben und Tod voneinander abgrenzen, unabhängig von einem bestimmten Menschenbild oder einem subjektiven Verständnis von Leben und Tod. Wir können die elementare Frage, ob der Mensch zum Zeitpunkt der Organentnahme tot ist oder noch lebt, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht offenlassen.“

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