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Opferbefragung : Studie sieht Hinweise auf Rassismus bei der Polizei

Einem Fünftel der nicht-weißen Befragten wurde eine Anzeige bei der Polizei verweigert. Bild: dpa

Eine Studie der Universität Bochum hat rassistisches Vorgehen von Polizisten untersucht. Besonders Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben, sollen demnach betroffen sein.

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          Die Polizei steht unter besonderer Beobachtung. Seit rechtsextreme Chats in Nordrhein-Westfalen bekannt wurden und in Hessen Polizisten in Morddrohungen gegen Migranten verwickelt sein sollen, geht es um die Frage, ob es strukturellen Rassismus innerhalb der Behörden gibt. Eine nicht repräsentative Studie der Universität Bochum sieht deutliche Anzeichen dafür. „Es gibt ein strukturelles Problem der polizeilichen Praxis“, sagte Studienleiter Tobias Singelnstein bei der Vorstellung der Zahlen am Mittwoch. Mutmaßliche Opfer rechtswidriger Polizeigewalt hätten von eindeutig rassistischen, antisemitischen und islamfeindlichen Beleidigungen berichtet. Im Rahmen der Studie machten 3370 Menschen mit Migrationshintergrund Angaben über Gewalterfahrungen mit der Polizei; außerdem wurden 63 Polizisten befragt.

          Timo Steppat
          Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland mit Sitz in Wiesbaden.

          So berichtet ein Polizist, seine Kollegen sagten Sätze wie „Heute gehen wir Türken jagen“ oder „Heute gehen wir mal Neger klatschen“. Anschließend würden sie sich gezielt auf die Suche nach Vergehen machen und Kleinigkeiten wie einen vergessenen Blinker „aufbauschen“. Ein anderer Beamter schildert selbstkritisch, dass er Gebiete mit hohem Migrantenanteil „nicht völlig neutral“ betrete. In migrantischen Vierteln ahnde er kleinere Vergehen härter.

          Mehr Diskriminierungserfahrungen bei Nicht-Weißen

          Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Erhebung der Universität Bochum kam bereits zum Ergebnis, dass das Dunkelfeld polizeilicher Gewalt deutlich größer sein könnte als angenommen. Während sich 31 der befragten Betroffenen ohne Migrationshintergrund diskriminiert fühlten, liegt der Anteil unter Migranten mit 42 Prozent deutlich höher, in der Gruppe der Befragten mit nicht-weißer Hautfarbe lag er sogar bei 62 Prozent.

          Das führte bei Letzteren zur Annahme, dass sie aufgrund äußerer Merkmale eine vorurteilsbehaftete Behandlung erfahren hätten. In der Polizeiforschung gibt es wenige Daten zu Rassismus innerhalb der Polizei. Auch die vorliegende Arbeit wirft lediglich etwas Licht in das Dunkelfeld. Da es sich aber um eine Opferbefragung handelt, lässt die Studie keine Aussagen darüber zu, wie die Polizei allgemein mit Migranten umgeht. Die Forscher kommen aber zum Ergebnis, dass Personen mit Migrationshintergrund im Schnitt von stärkeren psychischen Folgen der Gewaltsituation mit der Polizei berichten als Personen ohne Migrationshintergrund. Befragte berichten von rassistischen Äußerungen von Polizisten.

          „Ich halte die an, die so aussehen“

          Problematisch erscheint auch, dass vielen Betroffenen von einer Anzeige gegen Polizeibeamte abgeraten wurde – von anderen Polizisten oder Beratungsstellen. In einem Fünftel der Fälle wurde Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe die Anzeige gegen Polizisten verweigert. Tatsächlich gibt es bei der Aufarbeitung polizeilicher Gewalt durch Staatsanwaltschaften und Gerichte erhebliche Probleme. Wenn es etwa um den Vorwurf der Körperverletzung im Amt geht, kommt es meistens nicht einmal zur Anklage. 2018 lag die Quote laut Staatsanwaltsstatistik bei knapp zwei Prozent.

          Der Kriminologe Singelnstein erkennt zwei zentrale Problemfelder polizeilichen Handelns. Zum einen sind das die verdachtsunabhängigen Personenkontrollen. Wie andere Studien bereits zeigten, kommt es in diesen Situation besonders häufig zur Auswahl verdächtiger aufgrund von äußeren Merkmalen. Daraus ergibt sich das andere Problem, das sogenannte polizeiliche Erfahrungswissen: Kontrollen bestimmter Einwanderergruppen führen scheinbar zu Erfolgen der Polizisten und verstärken die Vorurteile der Ermittler. Astrid Jacobsen, Professorin an der Polizeiakademie Niedersachsen, wies darauf hin, dass beide Problemfelder Gegenstand der Ausbildung seien. Aber in der Praxis und unter Zeitdruck greife dann eine andere Logik: „Ich halte die an, die so aussehen.“

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