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Nürburgring : Die nächste Katastrophe?

  • -Aktualisiert am

Rennstrecke in Schwierigkeiten: der Nürburgring in der Eifel Bild: Imago

Der Verkauf des insolventen Nürburgrings schien endlich abgeschlossen zu sein - jetzt droht die nächste Katastrophe für das Land Rheinland-Pfalz. Der Käufer steckt selbst in finanziellen Schwierigkeiten.

          3 Min.

          Gerade eine gute Woche ist es her, dass die EU-Kommission am 1. Oktober den Verkauf des Nürburgrings an den Autozulieferer Capricorn für rechtens erklärt hat – da droht die nächste Katastrophe für Rheinland-Pfalz. Am Montag nämlich sahen sich die Verwalter der insolventen Nürburgring GmbH gezwungen, öffentlich zu machen, dass der Verkauf wieder in Frage stehe. Die Insolvenzverwalter hoben zwar hervor, dass es nach wie vor einen gültigen Kaufvertrag gebe, von dessen Erfüllung sie weiterhin ausgingen; sie teilten aber auch mit, dass die Capricorn Holding GmbH, die zu zwei Dritteln an der Ring-Käuferin, der Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH, beteiligt war, ihre Anteile an einen Treuhänder übertragen musste. Der von den Insolvenzverwaltern nicht genannte Grund: massive Liquiditätsschwierigkeiten. Nun müssen der verbleibende Anteilseigner, ein Motorsport-Unternehmen namens GetSpeed, sowie der Treuhänder versuchen, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das bedeutet erst einmal: einen Geldgeber finden, mit dessen Hilfe sie zum 31. Oktober die nächste Rate in Höhe von fünf Millionen Euro bezahlen können. Klappt das nicht, bleibt den Verwaltern nichts anderes übrig, als vom Kaufvertrag zurücktreten.

          Timo Frasch
          Politischer Korrespondent in München.

          Das wäre ein ziemlicher Gau, denn dann müsste der Nürburgring neu ausgeschrieben und innerhalb der von der EU-Kommission festgelegten Frist – vier Monate seit dem 1. Oktober – verkauft werden. Ohne Fristverlängerung wäre das faktisch unmöglich und würde zur Stilllegung des Rings führen. So weit ist es zwar noch nicht. Aber klar ist auch: Wenn Spekulationen erst einmal in der Welt sind, dann erschüttern sie das Vertrauen möglicher Geldgeber und können so dazu beigetragen, dass aus ihnen Tatsachen werden.

          Der Ring war im März zu einem Preis von 77 Millionen Euro verkauft worden. Von Anfang an hatte es Gerede gegeben: dass der Preis zu niedrig sei – und doch immer noch zu hoch, um von dem Mittelständler Capricorn gestemmt zu werden. Schon vor Wochen war von Zahlungsschwierigkeiten des Capricorn-Geschäftsführers Robertino Wild zu lesen, der mit seinem Privatvermögen für die Einhaltung des Kaufvertrages bürgt; dass etwa bekannt wurde, dass er schon vor dem Ring-Kauf in einer anderen Angelegenheit seine private Kunstsammlung verpfänden musste, tat sein Übriges, um Wilds Bonität auf eine Rutschbahn nach unten zu befördern. Der Mann, der sein Finanzierungskonzept für den Ring unter anderem auf eine Kreditzusage der Deutschen Bank gestützt hatte, bekommt am Kapitalmarkt schlicht kein Geld mehr, um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

          Um die jetzige Situation verstehen zu können, muss man zurück in die Vergangenheit gehen. Nach der Insolvenz der Nürburgring GmbH 2012 standen die Insolvenzverwalter unter Zeitdruck: Ein vernichtender Beihilfebescheid aus Brüssel drohte, danach wären vor einer Stilllegung nach EU-Recht nur noch vier Monate Zeit geblieben, um entweder – völlig aussichtslos – die Beihilfen zurückzuzahlen, oder aber den Ring in einem transparenten Verfahren an private Investoren zu veräußern.

          Von Fachleuten wird geschätzt, dass der gesamte Ringkomplex einen Substanzwert von bis zu einer Milliarde Euro hat. Gemessen daran scheinen 77 Millionen ein Witz zu sein. Das Ganze relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass zu der Zeit, als der Ring zum Verkauf stand, Unklarheit über dessen Ertragskraft herrschte, weil frühere private Betreiber keine Einsicht in ihre Bilanzen gewährten. Davon abgesehen muss man nach EU-Recht an denjenigen verkaufen, der den höchsten Preis und die besten Sicherheiten bietet. Unter all diesen Umständen, darauf beharren die Insolvenzverwalter, sei der Verkauf an Capricorn zwingend gewesen.

          Um auf Nummer sicher zu gehen, hatten sie die EU-Kommission gebeten, zusammen mit den Beihilfen auch die Rechtmäßigkeit des Verkaufs zu bestätigen. So wollten sie einen Haftungsausschluss erreichen, also sicherstellen, dass am Ende nicht der Käufer auf den Rückzahlungsforderungen sitzen bleibt. Das ist nun am 1. Oktober geschehen – aber womöglich zu spät. Schon Monate vorher war immer wieder durchgesickert oder durchgestochen worden, die Bescheide aus Brüssel stünden unmittelbar bevor. Allein, sie kamen nicht. Mögliche Kreditgeber konnten daher gar nicht anders, als zu vermuten, dass es mit Capricorn und dem Verkauf Schwierigkeiten gebe. Sollte es diese Schwierigkeiten damals noch nicht gegeben haben: Jetzt gibt es sie tatsächlich.

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