„NSU“ und NPD : Viele Wege ins Extreme
- -Aktualisiert am
Schlechter hätte es für Holger Apfel kaum laufen können Bild: AFP
Die NPD distanzierte sich spät von den mutmaßlichen Rechtsterroristen. Die Partei ist eng mit der Neonazi-Szene vernetzt.
Schlechter hätte es für Holger Apfel, den Vorsitzenden der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, nicht laufen können. Zwar gelang es ihm am Wochenende auf dem Bundesparteitag der NPD in Neuruppin Bundesvorsitzender zu werden. Nach Jahren heftiger innerparteilicher Grabenkämpfe konnte sich Apfel mit seinem Konzept, der Partei vordergründig ein harmloses Kümmerer-Image zu verpassen, gegen den bisherigen NPD-Chef Udo Voigt klar durchsetzen. Doch überstrahlt wird Apfels Anspruch, die NPD zu einer "zukunftsorientierten volks- und heimattreuen Partei" mit "seriöser Radikalität" zu machen von einem Thema, zu dem Apfel am Wochenende offiziell schweigt: den Taten der Zwickauer Terrorzelle namens "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU).
Erst am Montag ringt sich die NPD zu einer Stellungnahme durch. Schriftlich lässt Apfel verbreiten, dass die NPD "Terrorismus und Gewalt jedweder politischen Richtung ablehnt und aufs Schärfste verurteilt" und sich von den "abstoßenden Taten des Kriminellen-Trios" - Uwe B., Uwe M. und Beate Z. - distanziere.
Stets enge Verbindungen
Allerdings hat es stets enge Verbindungen zwischen der NPD und der gewalttätigen rechtsextremen Szene gegeben. Einer der bekanntesten Kontakte ist jener zu den 1996 gegründeten und 2001 verbotenen "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS), deren Ziel es war, die Sächsische Schweiz von Ausländern, Rauschgiftsüchtigen und Linken zu "befreien". Zwischen 2003 und 2004 wurden mehrere SSS-Mitglieder wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerer Körperverletzung, Volksverhetzung und Landfriedensbruch zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Einer der Rädelsführer, der die SSS nach dem Verbot weiterführte, fand später Anstellung bei der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, andere ehemalige SSS-Mitglieder wechselten in die NPD-Jugendorganisation "JN". Auch dies hat mit dem schon seit Jahren zu beobachtenden Bemühen der NPD um die Kameradschaftsszene zu tun, die die Partei für die Organisation von Demonstrationen und als Wahlkampfhelfer braucht.
Trennung nach Faustschlag
Sogar ein gerichtsbekannter Rechtsterrorist war schon bei der sächsischen Landtagfraktion beschäftigt: Peter Naumann. Er war 1998 in Frankfurt wegen eines Sprengstoffanschlags zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Ende 2008 trennte man sich von ihm, als er einen NPD-Abgeordneten mit einem Faustschlag niederstreckte.
Noch enger als in Sachsen ist die Vernetzung von NPD und freier Neonazi-Szene in Thüringen. Fast alle Mitglieder des Landesvorstands und die meisten Kreisverbandsvorsitzenden der Thüringer NPD, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2010, entstammen dem neonazistischen Spektrum - und damit dem Milieu, aus dem auch die mutmaßlichen Mitglieder der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" kommen.
Als V-Mann enttarnt
Als Sammelbecken der Neonaziszene in Thüringen fungierte in den neunziger Jahren der "Thüringer Heimatschutz", (THS) dem zeitweise etwa 170 Personen angehörten. Uwe B., Uwe M. und Beate Z. waren damals in der zweiten Reihe des THS aktiv, mit engen Kontakten zur Führungsriege um Tino Brandt, Ralf Wohlleben und André Kapke. Brandt stieg 1999 in den Landesvorstand der NPD auf, wurde Pressesprecher und schließlich stellvertretender Landesvorsitzender. Im Jahr 2001 wurde er dann als V-Mann des Verfassungsschutzes enttarnt.
Auch Ralf Wohlleben schaffte es in der Thüringer NPD bis zum stellvertretenden Landesvorsitzenden. Heute soll er vor allem im Hintergrund aktiv sein, als Organisator rechtsextremer Musikfestivals und als Führungsfigur einer Organisation namens "Freies Netz", bei der es sich um einen Zusammenschluss militanter Kameradschaften aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen handelt.
„Seriöse Radikalität“ als Ablenkung
Durch Personalüberschneidungen ist auch die sächsische NPD eng mit dem "Freien Netz" verbunden - Apfels Behauptung man setze auf "seriöse Radikalität" ist schon deshalb nur ein Ablenkungsmanöver. So ist Maik Scheffler aus der nordsächsischen Kameradschaftsszene heute stellvertretender Landesvorsitzender der sächsischen NPD und Mitarbeiter der NPD-Fraktion. In internen Internetforen des "Freien Netzes", aus denen vor wenigen Tagen die "Tageszeitung" zitierte, wurde offen über mögliche Gewaltaktionen diskutiert. "Wir haben uns überlegt, eine Polizeiwache anzugreifen und abzufackeln", schreibt ein Thüringer Kameradschafts-Nazi Ende 2008. Ein Sachse antwortet: "Ohne einen abzustechen? Ist ja langweilig!"
Am Montag versucht es Apfel mit einer Gegenoffensive. Wer auf die Idee komme, die Taten der NSU seien im Sinne der NPD, sei "entweder unzurechnungsfähig oder agiert aus durchsichtigem politischen Interesse". Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Verfassungsschutz tiefer in den Aufbau des NSU verstrickt sei, als man heute wisse.