NSU-Prozess : Bricht Zschäpe jetzt ihr Schweigen?
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Verlorenes Vertrauen: Die Angeklagte Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München mit ihren Anwälten Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer (r.) Bild: dpa
Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hat ihren drei Verteidigern überraschend das Vertrauen entzogen. Nun wird darüber spekuliert, ob sie doch aussagen will.
Die Angeklagte Beate Zschäpe hat am Mittwoch überraschend mitteilen lassen, dass sie kein Vertrauen mehr in ihre drei Verteidiger habe. Das hat der Vorsitzende Richter im NSU-Verfahren, Manfred Götzl, nach der Mittagspause im Sitzungssaal vorgetragen. Beate Zschäpe verfolgte seine Ausführungen regungslos zwischen ihren Verteidigern sitzend. Götzl forderte Beate Zschäpe auf, bis Donnerstag 14 Uhr ihre Gründe schriftlich darzulegen. Der morgige Verhandlungstag wurde abgesagt. Der Schritt kam nach Einschätzung von Verfahrensbeteiligten völlig unvermutet.
Es wurde spekuliert, ob Beate Zschäpe aussagen wolle, wovon ihre Verteidiger wiederholt abgeraten hätten. Ihre Anwälte, Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl, wollten am Mittwoch keine Stellungnahme abgeben. Für den Prozess bedeutet der Schritt von Beate Zschäpe viele Unwägbarkeiten: In ihrer Begründung muss sie nachweisen, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerrüttet ist, so dass eine Verteidigung nicht mehr möglich ist. Sollte ihre Begründung das Gericht nicht überzeugen, kann es die Verteidiger auch im Verfahren belassen. Das wiederum könnte, so Beobachter, Revisionsgründen Vorschub leisten.
Sollte das Gericht ihrer Begründung folgen, muss zunächst unterbrochen werden, bis sich neue Anwälte eingearbeitet haben. Angesichts eines Aktenvolumens von 280.000 Seiten und nach 128 Verhandlungstagen ist das kaum in ein paar Wochen zu bewerkstelligen. Länger als 30 Tage darf die Verhandlung aber nicht unterbrochen werden. Das Verfahren würde sonst platzen. Es würde aber auf jeden Fall die gesamte Terminierung entfallen und neu bearbeitet werden müssen. Eine weitere Möglichkeit ist auch, das Verfahren noch einmal von vorne zu beginnen, was von vielen Prozessteilnehmern als „worst- case“-Szenario beschrieben wird.
Im Prozess wurde die laufende Vernehmung des Zeugen Tino Brandt abgebrochen. Brandt ist Gründer des „Thüringer Heimatschutzes“. Er hatte am Vormittag berichtet, dass nach dem Untertauchen der drei späteren mutmaßlichen NSU-Terroristen Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 sich ihr Unterstützer-Umfeld offenbar fieberhaft bemüht habe, sie zur Rückkehr in die Legalität zu bewegen oder ein Versteck im Ausland zu finden.
Zschäpe soll zusammen mit Mundlos und Böhnhardt die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gebildet haben. Dem NSU werden unter anderem zehn Morde und zwei Bombenanschläge angelastet, Tatmotiv soll Ausländerhass gewesen sein. Der unerkannt im Untergrund agierende NSU flog erst auf, nachdem sich Mundlos und Böhnhardt nach einem missglückten Banküberfall Anfang November 2011 das Leben nahmen.