NSA-Ausschuss ausspioniert? : BND-Mitarbeiter soll als Doppelagent gearbeitet haben
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Ausgeforscht? Der NSA-Untersuchungsausschuss am Donnerstag bei der Befragung des ehemaligen Technik-Chefs der NSA Binney Bild: REUTERS
Ein BND-Mitarbeiter steht unter Verdacht, ein Doppelagent zu sein. Er soll für einen „ausländischen Nachrichtendienst“ den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages ausspioniert haben. Offenbar hatte er amerikanische Abnehmer für sein Material.
Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist unter dem Verdacht verhaftet worden, ein Doppelagent zu sein. Nach Angaben des Generalbundesanwalts wird er beschuldigt, „für ausländische Nachrichtendienste tätig gewesen zu sein“. Zwar gab es am Freitag keine offiziellen Mitteilungen darüber, welcher oder welche Dienste das gewesen sein sollen. Doch hat der 31 Jahre alte Mann offenbar amerikanische Abnehmer für sein Material gehabt. Darunter sollen auch Informationen über die Arbeit des Untersuchungsausschusses des Bundestages zu den Tätigkeiten des amerikanischen Geheimdienstes NSA gewesen sein. Deshalb wurde nicht nur das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages informiert, sondern auch die Obleute des NSA-Untersuchungsausschusses und dessen Vorsitzender.
Der verdächtigte Mann war bereits am Mittwoch vorläufig festgenommen worden. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag in Berlin: „Die Sache ist ernsthaft, ist doch klar.“ Über das Ausmaß der Tätigkeit gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Die „Bild“-Zeitung berichtet unter Berufung auf Sicherheitskreise, der Mann habe zwischen 2012 und 2014 mehr als 200 Geheimdokumente gestohlen und verkauft.
Seibert berichtete, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei am Donnerstag über den Vorgang informiert worden. Auf die Frage, ob die Bundesregierung seither mit der amerikanischen Regierung über die Angelegenheit gesprochen habe, antwortete er lediglich mit dem Hinweis, dass es am Donnerstag ein Gespräch der Kanzlerin mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama gegeben habe, in dem es um außenpolitische Themen gegangen sei und in dessen Mittelpunkt die Krise in der Ukraine gestanden habe. Weder bestätigte noch bestritt Seibert, dass Merkel und Obama auch über den Spionageverdacht gesprochen haben.
Empörung im Bundestag
Unter den Bundestagsabgeordneten sorgte die Nachricht für Empörung. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte, sollte sich der Verdacht bestätigen, sei das ein „Anschlag auf die Freiheit des Parlaments“. Bei der Aufklärung habe auch Amerika „eine Bringschuld“.
Der BND-Mitarbeiter soll nach Medienberichten mehrfach von einem amerikanischen Geheimdienst befragt worden sein und mindestens einmal über die Aktivitäten des NSA-Untersuchungsausschusses in die Vereinigten Staaten berichtet haben. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr von einem mit den Vorgängen vertrauten Parlamentarier, der Verdächtige habe in der BND-Poststelle gearbeitet.
NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichten, der Mann sei zunächst unter dem Verdacht festgenommen worden, Kontakt zum russischen Geheimdienst gesucht zu haben. In Vernehmungen soll der BND-Mitarbeiter dann aber gestanden haben, Informationen an einen amerikanischen Dienst geliefert zu haben. Die Ermittler überprüfen derzeit die Angaben des Verdächtigen. Sicherheitsbehörden schließen nicht aus, dass der Mann in der Vernehmung falsche Angaben gemacht hat.
Nach Informationen der „Bild“-Zeitung soll der 31-Jährige mindestens zwei Jahre lang als Doppelagent für amerikanische Geheimdienste gearbeitet haben. Zwischen 2012 und 2014 habe er der BND-Einsatzstelle Ausland insgesamt 218 BND-Geheimdokumente gestohlen und auf einem USB-Stick gespeichert, berichtete das Blatt unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Medien berichten von Durchsuchungen
Bei drei konspirativen Treffen in Österreich habe er amerikanischen Geheimdienstmitarbeitern hunderte Geheimdokumente für insgesamt 25.000 Euro verkauft. Wie die Zeitung „Die Welt“ berichtet, arbeitete der Mann im Umfeld von BND-Präsident Gerhard Schindler im Verwaltungsstab. Bei Durchsuchungen seiner Wohnung und der seiner Lebensgefährtin stellten die Ermittler der Staatsanwaltschaft und der Polizei laut „Bild“ den USB-Stick, weitere Dokumente und den Privatrechner des Mannes sicher. Unter den Dokumenten seien mindestens drei mit Bezug zum NSA-Untersuchungsausschuss. Das Bundestagsgremium soll die Hintergründe der von dem ehemaligen US-Geheimdienstler Edward Snowden enthüllten Spähaffäre aufklären, unter anderem will es die Rolle des BND beleuchten.
Unabhängig vom aktuellen Verdachtsfall haben die deutschen Sicherheitsbehörden schon seit Längerem befürchtet, dass der NSA-Untersuchungsausschuss von ausländischen Nachrichtendiensten ausspioniert werden könnte. An die Obleute des Untersuchungsausschusses wurden bereits Kryptohandys zur verschlüsselten Kommunikation ausgegeben. Zudem wurden die Sicherheitsvorkehrungen in der Geheimschutzstelle des Bundestages verstärkt. Dort können Abgeordnete als geheim klassifizierte Unterlagen einsehen.