NSA-Aktivitäten in Deutschland : Berlin weiter ohne eigene Erkenntnisse
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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): Keine weiteren Erkenntnisse? Bild: dpa
Innenminister Friedrich hat in Washington keine konkrete Antworten auf Fragen über Abhörpraktiken des amerikanischen Nachrichtendienstes NSA erhalten. Bundeskanzlerin Merkel will weiter prüfen lassen, was an den jüngsten Vorwürfen „dran“ sei.
Die Fragen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), die er nach Bekanntwerden der Abhörpraxis des amerikanischen Nachrichtendienstes NSA an die Regierung in Washington gerichtet hatte, sind nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei seinen Gesprächen in Washington nur in „allgemeiner“ Form beantwortet worden. Das verlautete am Sonntag aus der deutschen Regierungsdelegation. Es könne weiterhin nicht aufgrund eigener Erkenntnisse bestätigt werden, ob die NSA den Frankfurter Internet-Knotenpunkt ausgespäht habe, hieß es.
Friedrich hatte nach seinen Gesprächen mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Joe Biden, Justizminister Eric Holder und der Anti-Terrorbeauftragten von Präsident Barack Obama, Lisa Monaco, gesagt, es „wäre“ nicht akzeptabel, wenn amerikanische Nachrichtendienste „gegen deutsche Gesetze in Deutschland“ verstießen. Es sei ihm versichert worden, die Vereinigten Staaten betrieben keine Industriespionage in Deutschland. Im September werde Friedrich mit Holder ein weiteres Mal über die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste sprechen.
Bundeskanzlerin Merkel kritisierte die mangelnden Informationen aus Washington. Es müsse weiterhin geprüft werden, was an den Vorwürfen „dran“ sei. In einem Interview des ARD-Fernsehens forderte sie abermals, in Deutschland müsse deutsches Recht gelten. Doch seien auch Gespräche darüber zu führen, was mit Daten geschehe, die Deutschland verlassen. Auch für diese müsse der Maßstab der „Verhältnismäßigkeit“ gelten. „Der Zweck heiligt hier aus unserer Sicht nicht die Mittel“, sagte Merkel. Auch darüber müsse es noch „intensive“ Gespräche geben.
Ähnlich wie Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Verbraucherministerin Aigner (CSU) plädierte die Merkel dafür, in internationalen Verhandlungen eine einheitliche Datenschutzregelung zu vereinbaren. Berlin werde darauf dringen, „dass die Firmen uns in Europa sagen, wem sie ihre in Deutschland gewonnenen die Daten weitergeben“, sagte Merkel. Dies dürfe nicht unter dem Siegel der Geheimhaltung verdeckt bleiben.
Eine solche Auflage, die zwischen den EU-Staaten derzeit noch sehr umstritten ist, müsse „Teil eines europäischen Datenschutzabkommens sein“. Die Kanzlerin betonte, dass für den Datenschutz grenzübergreifende Regelungen nötig seien. „Wir haben zwar ein tolles Bundesdatenschutzgesetz, aber weil Facebook in Irland registriert ist, gilt das irische Recht, und deshalb brauchen wir hier eine einheitliche europäische Regelung.“
Friedrich und Frau Leutheusser-Schnarrenberger würden das Thema in dieser Woche bei Verhandlungen mit ihren EU-Ministerkollegen ansprechen. Auch über die EU hinaus werde eine Regelung benötigt. Merkel schloss sich dabei dem Vorschlag der Bundesjustizministerin an, eine solche Regelung über ein UN-Zusatzprotoll umzusetzen. „Es wäre natürlich gut, Europa würde hier mit einer Stimme sprechen“, sagte die Kanzlerin. Informationen Frau Aigners, auch Minister der Bundesregierung würden abgehört, wollte Frau Merkel – unter Berufung auf ihre Kenntnisse – nicht bestätigen.
Opposition attackiert Merkel und Friedrich
Oppositionspolitiker übten heftige Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel und an den Ergebnissen der Reise von Friedrich. Der SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück sagte, unter Frau Merkels Führung sei „ein riesiger Schaden fürs deutsche Volk entstanden“, weshalb sie ihrem Amtseid nicht Genüge getan habe. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, äußerte: „Die Reise war ein Desaster.“ Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, sagte: „Herr Friedrich rechtfertigt die Schnüffelei.“
Am kommenden Mittwoch wird Friedrich dem Innenausschuss berichten. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Verfassungsschutzes, kündigte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ unterdessen an, die Abwehr digitaler Spionage ausbauen zu wollen.