NPD : Kampf um die jungen Leute
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Großer Zuspruch bei der Jugend Bild: picture-alliance/ dpa
Wo sich die Kommunalpolitiker aus der Jugendarbeit zurückziehen, kann die NPD an Einfluß gewinnen. Bisher vor allem bei der Rekrutierung von Jugendlichen für sogenannte Kameradschaften. Junge Leute ohne „Ich-Stärke“ sind offen für die einfachen Deutungsmuster.
Das Rezept von Bernd Merbitz heißt: direkte Auseinandersetzung. In den neunziger Jahren war der Polizist einer der „Väter“ der weit über Sachsen hinaus bekannten „Soko Rex“ des Landeskriminalamts. Nun leitet er die Polizeidirektion Westsachsen, ein Gebiet, in dem Orte liegen, die schon seit langer Zeit ein ernstes Problem mit Rechtsradikalen haben. Zu den Dienstroutinen des Polizisten gehört es deshalb, regelmäßig in einschlägig bekannten Clubs und Kneipen aufzutauchen - in Uniform. „Irgendwann beginnen die das Gespräch dann von selbst, einfach schon deshalb, weil sie wissen wollen: Haben wir was ausgefressen?“ Präsenz, Gesicht zeigen, sei das allerwichtigste im Umgang mit Rechtsradikalen, sagt Merbitz.
Tief erschüttert sei er gewesen, als er unlängst in einem Ort den Gemeinderat über einen Jugendclub habe diskutieren hören und niemand auf die Idee gekommen sei, einfach hinüberzugehen zu den jungen Leuten und mit ihnen zu sprechen. „Die Volksvertreter müssen doch wissen, was in ihrem Ort passiert.“ Vor allem dort, wo sich die demokratische Gesellschaft zurückzieht, haben Rechtsextreme im vorpolitischen Raum tatsächlich Erfolge - bisher vor allem bei der Rekrutierung von Jugendlichen für sogenannte Kameradschaften. Auch während der akuten Schwächephase der NPD, der Zeit des Verbotsverfahrens, wuchsen die Kameradschaften schnell, weil sie in vielen Regionen Ostdeutschlands Lücken im Freizeitangebot für Jugendliche besetzen.
Jugendliche ohne Ich-Stärke
Vor allem jene jungen Leute, die nicht über große Ich-Stärke verfügen, sind offen für die einfachen Deutungsmuster und eine straff organisierte Gruppe. Geboten werden Fußball oder paramilitärische Spiele. Hinzu kommen Skinhead-Konzerte, über die die Jugendlichen an rechtsextremes Gedankengut herangeführt werden. „Wie in einem Stufenmodell kommt dann als nächster Schritt die politisch-historische Indoktrination hinzu“, sagt Solvejg Höppner vom Mobilen Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen. Sie berät Schulen und Jugendclubs im Raum Wurzen im Umgang mit Rechtsradikalen.
„Wo sich die die Kommunalpolitik zurückzieht, äußern sich andere“, sagt Frau Höppner. Für Wurzen habe eine Studie belegt, daß es dabei nicht nur um die finanzielle Seite gehe. Vielmehr komme es auch darauf an, daß Kommunalpolitik Jugendarbeit moralisch-inhaltlich unterstütze. Geschehe das, könne die Zivilgesellschaft auch schon verloren geglaubtes Terrain zurückgewinnen. So wie in der Nähe von Wurzen, wo ein von Rechtsextremen unterwanderter kommunaler Jugendclub geschlossen wurde und statt dessen zwei andere Clubs eröffneten, die von der Komune nun intensiv begleitet werden.
Zentrale Angebot Kameradschaften
In einer Lageeinschätzung des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz heißt es, in jüngerer Zeit habe sich gezeigt, daß vor allem in ländlich geprägten Gebieten Kameradschaften an Akzeptanz gewinnen und mittlerweile einen Teil des öffentlichen Lebens darstellen. Bei der Kommunal- und der Landtagswahl im vergangenen Jahr haben sie sich für die NPD als ergiebiges Wählerpotential erwiesen. Ohne direkt mit der NPD assoziiert zu sein, sind die Kameradschaften faktisch das zentrale Angebot der NPD im vorpolitischen Raum. Regelrechte Jugendcafes und Nachbarschaftstreffs aber, wie Bundeskanzler Schröder am vergangenen Wochenende implizierte, als er die Einschätzung äußerte, die etablierten Parteien trügen am Erstarken der NPD eine Mitschuld, weil sie sich aus dem vorpolitischen Raum zurückgezogen hätten, betreibt die NPD nicht. Mieterberatung oder Hilfe für Arbeitslose im Zusammenhang mit Hartz IV, wie sie die PDS anbietet, sucht man bei der NPD ebenfalls vergebens.