
Neuwahl in NRW : Die Bremse
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Auch für die Ministerpräsidentin war der Mittwoch eine Überraschung Bild: dpa
Was die Schuldenbremse doch alles bewirken kann: Die FDP setzt alles auf eine Karte, und Frau Kraft zeigt jetzt Gabriel, Steinmeier und Steinbrück, wie man es macht.
Früher als erwartet muss Hannelore Kraft die Konsequenzen daraus ziehen, dass sie aus der Landtagswahl von 2010 - wie sie selbst sagt - nicht als Siegerin, sondern als Verlegenheitsministerpräsidentin hervorgegangen ist. Bis zum Mittwoch konnte sie diesen Nachteil immer noch dadurch ausgleichen, dass sie den Eindruck vermittelte, das Heft in der Hand zu haben und die Opposition im Plenum des Düsseldorfer Parlaments am Neuwahl-Ring in der Nase herum zu führen.
Frau Kraft kam entgegen, dass sie solche Neuwahlen nicht fürchten musste. Dank starker Grüner hat sie in Umfragen seit der Bildung ihrer Minderheitsregierung eine Mehrheit im Land. Zu denken geben muss ihr allerdings, dass die SPD nicht profitierte, sondern im bevorstehenden Wahlkampf ihre ganze Hoffnung auf einen Amtsbonus für die nach Angela Merkel mächtigste Frau in Deutschland setzen muss.
Der FDP kommen Neuwahlen am wenigsten gelegen
Deshalb war auch für die Ministerpräsidentin der Mittwoch eine Überraschung. Sie hatte zwar damit gerechnet, dass ihr keine der Oppositionsfraktionen den Gefallen tut, dem Haushalt glatt zuzustimmen. Doch eine Enthaltung der FDP-Fraktion - und damit die Mehrheit für ihren Haushalt - konnte sie schon deshalb einkalkulieren, weil der FDP am wenigsten an Neuwahlen gelegen sein kann - sie schwächelt in den Umfragen weit unterhalb der fünf Prozent herum.
Für die Liberalen ergab sich allerdings die Schwierigkeit, dass die Landtagsverwaltung die Lesung des Haushalts so auslegte, dass sich die FDP-Fraktion zu allen Einzeletats hätte enthalten müssen, um den Haushalt nicht scheitern zu lassen und somit Neuwahlen zu verhindern. Das wäre mehr gewesen als nur ein taktisches Zugeständnis. Da Rot-Grün zu keinen Geschenken bereit war, sollte es wohl durchaus so kommen, wie es gekommen ist.
In der FDP haben sich damit Debatten über Ampelsignale zwar noch nicht erledigt. CDU und FDP sind von einer Mehrheit immerhin weiter entfernt als noch 2010; wollen die Liberalen also eine Funktion erfüllen, die ihnen die Wähler zutrauen und deshalb auch Stimmen einträgt, werden sie Schwarz-Gelb nicht als das Maß aller Dinge nehmen können. Doch die Gegner eines Kokettierens mit der Ampel haben sich auch deshalb durchgesetzt, weil sie nicht in den Strudel einer fragwürdigen rot-grünen Haushaltspolitik geraten wollten.
Das entscheidende Motiv für die Flucht nach vorne dürfte deshalb die drohende Perspektive der FDP gewesen sein, sich mit SPD und Grünen nach dieser Haushaltsdebatte in einem Boot wiederzufinden, das die Schuldenbremse weithin ignoriert und deshalb aufs offene Meer hinaustreibt. Das hätte sich gerächt, wenn die FDP bei der nächsten Gelegenheit als Regierungspartei für umso härtere Einschnitte sorgen müsste, um wieder Land zu sehen. Auf was wollte sie also noch warten?
Hannelore Kraft setzt auf Zeit
Ob das aber reicht, Frau Kraft im bevorstehenden Wahlkampf in die Enge zu treiben, ist fraglich. Die Ministerpräsidentin setzt auf Zeit, das heißt: auf bessere Steuereinnahmen und darauf, dass sich die Finanzen wie bisher der Konjunktur anzupassen hätten - und sei es auf Kosten der Verfassung. Das ist ein Spiel mit doppeltem Boden, kommt aber an - siehe Studiengebühren, siehe Kitaplätze, siehe Umfragen. Ihrem Herausforderer Röttgen wird es nicht leicht fallen, mit einer halbgescheiterten Energiewende, einer halberfolgreichen Schuldenbremse und einem Kronprinzenbonus dagegen zu halten. Denn auch das hat ihm Frau Kraft voraus: Sie zeigt es nun Steinbrück, Gabriel und Steinmeier, wie man es macht.