Klimaschutz : Nicht länger mit dem Finger auf die Menschen zeigen
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Irene Mihalic und Annalena Baerbock (Grüne) am 26. Juli in Berlin. Bild: AFP
Nach der Flutkatastrophe fordern die Grünen effektiven Klimaschutz – von der Regierung. Den einzelnen Bürger wollen sie nicht zum Hauptverantwortlichen machen.
Als die Vorsitzende und Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, am Montag nach den Fehlern gefragt wurde, die ihr in jüngster Zeit unterlaufen seien, antwortete sie grundsätzlich. Für sie sei es wichtig, selbstkritisch zu betrachten, wo „Dinge nicht gut gelaufen“ seien. Dann müsse Transparenz hergestellt und die Dinge müssten in Zukunft besser gemacht werden.
Thema der Pressekonferenz, auf der Baerbock sich in Berlin äußerte, war ganz konkret ein besserer Katastrophenschutz in Fällen wie dem jüngsten Hochwasser und etwas allgemeiner die Klimapolitik. Was Letztere angeht, will Baerbock einen Fehler offenbar auf keinen Fall machen: Die Schuld bei den einzelnen Menschen und ihrem Verhalten suchen und ihnen vorschreiben, wie sie zu leben hätten.
Vielen Grünen dürfte noch das negative Echo auf den Vorschlag des Veggie-Tages in Erinnerung sein, mit dem die Grünen 2013 in den Wahlkampf gegangen waren, nachdem sie auf einer Bundesdelegiertenkonferenz einen entsprechenden Beschluss gefasst hatten.
Ein Tag mit vegetarischer Ernährung galt ihnen damals als „kleine Veränderung unseres Lebensstils“ mit der man „Flagge zeigen“ wolle gegen die „zerstörerischen Mittel der industriellen Agrarproduktion: Raubbau an Klima und Natur, ungerechte Verteilung von Boden, Wasser und Nahrung, Verschwendung von Lebensmitteln und tierquälende Massentierhaltung“. Am Montag wies Baerbock gleich darauf hin, dass das ja nun zwei Bundestagswahlkämpfe zurückliege.
„Es mangelt nicht an Bewusstsein“
Jetzt soll der Mensch nicht mehr der Hauptverantwortliche sein, sondern die Politik. Der Klimaschutz sei die zentrale politische Aufgabe, „und es mangelt nicht an dem Bewusstsein in der Bevölkerung, sondern es mangelt an einer besseren Klimaschutzpolitik“. Dafür, dass man auf dem Weg zum 1,5 Grad-Pfad nicht weiter sei, sei die Bundesregierung verantwortlich. „Und sie ist auch dafür verantwortlich, dass wir in den letzten Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, verstärkt Extremwetterereignisse hatten, immer wieder sogenannte Jahrhunderthochwässer hatten, obwohl das Jahrhundert noch gar nicht zu Ende war und all die Vorschläge, die immer wieder gemacht worden sind, von der Wissenschaft, aber gerade auch von uns in den Parlamenten zu einer besseren Klimavorsorge, abgelehnt worden sind.“
Als Beispiele führte Baerbock Überschwemmungsgebiete an großen Flüssen auf, die Versiegelung der Böden, den Umbau der Städte, etwa durch Begrünung. „Da ist keine Bevölkerung dran schuld, dass das nicht stattgefunden hat, sondern vor allen Dingen eine Union, die das immer wieder blockiert hat“, sagte sie mit Blick auf den Hauptgegner im Wahlkampf. Ob man mit Blick auf die Menschen etwas anders machen müsse: „Nein, ganz und gar nicht, sondern wir brauchen eine andere Politik, die auch wirklich in Vorsorge investiert, und das kostet Geld.“
Noch einmal machte sie deutlich: Gebraucht würden „nicht die besseren Menschen“, sondern bessere Politik. Zwar trage jeder mit seinem eigenen Verhalten auch etwas bei, „aber ich kann doch nicht selber als Einzelperson dafür sorgen, dass Massentierhaltungsanlagen nicht weiter mit EU-Agrarfördergeldern subventioniert werden“. Deswegen mache sie „bei diesem Spiel einfach nicht mit zu sagen: Die Menschen wollen nicht“.
Sofortprogramm angekündigt
Für die nächste Woche kündigte die Kanzlerkandidatin ein Sofortprogramm zum Klimaschutz an, das die nächste Bundesregierung durchsetzen solle. Die Überschwemmungen hätten deutlich gemacht, „wir dringend wir handeln müssen“. Fürs Erste legten Baerbock und die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic allerdings ein Zehn-Punkte-Programm für einen bessern Bevölkerungsschutz und besser Katastrophenhilfe vor. Eine zentrale Forderung ist die die bessere Koordinierung der Aktivitäten von Bund und Ländern in Katastrophenfällen durch die Einrichtung einer „Zentralstellenkompetenz“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Allerdings wollen auch die Grünen, dass der Katastrophenschutz „zuallererst Aufgabe der Bundesländer“ bleibe.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Montag vor einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages gesagt, der Katastrophenschutz müsse in der Zuständigkeit der Länder bleiben. „Wer das verändert, fügt der Sache schaden zu“, hatte Seehofer vor Sitzungsbeginn geäußert. In der Sache, so wird in Regierungskreisen mitgeteilt, liege das daran, dass man nicht von Berlin aus beurteilen könne, wie die Lage, etwa in einem Hochwassergebiet im Westen, sei. Doch hinzukommen dürfte, dass Seehofer kein Interesse hat, eine Zuständigkeit zu reklamieren, die der Bund nicht besitzt und damit auch die Verantwortung für mögliche Fehler zu übernehmen – zwei Monate vor einer Bundestagswahl schon gar nicht.
Dennoch will auch Seehofer etwas verbessern. Vor allem die Warnung vor Katastrophen per App soll effektiver werden. Thema war auch, neben der digitalen Warnung wieder mehr Sirenen zu installieren. In der Sitzung, so wurde anschließend aus Teilnehmerkreisen berichtet, soll es ruhig und sachlich zugegangen sein. Man sei sich einig gewesen, dass es jetzt vor allem anderen darum gehe, den Menschen in den Katastrophengebieten zu helfen.