Nach den Ausschreitungen in Hamburg : Und plötzlich brach ein Gewaltsturm los
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Am Mittwochabend konnten Polizisten die kurdischen Demonstranten in Schach halten Bild: Reuters
In St. Georg gibt es ein Dutzend Moscheen auf engem Raum. Jahrelang war alles friedlich, das größte Problem waren Parkplätze. Die Gewalt auf den Straßen hat alle überrascht.
Freitags ist es immer besonders schlimm am Steindamm im Hamburger Stadtteil St. Georg. Wenn die Muslime zum Gebet in die Moscheen gerufen werden. Schließlich gibt es hier auf engem Raum gleich ein Dutzend Moscheen, geradezu ein „Moscheen-Viertel“. „Zum Freitagsgebet ist hier immer alles zugeparkt“, sagt Martin Streb, seit drei Jahren der Vorsitzende des Bürgervereins, den es in St. Georg schon seit 1880 gibt. 120 Mitglieder zählt der Verein und kümmert sich um so ziemlich alle Belange des Viertels, sei es die Verkehrssituation, sei es das Sterben des Einzelhandels, oder sei es, wenn die islamischen Gemeinden mit ihren Problem zu ihnen kommen. So wie eine der Gemeinden aus der Böckmannstraße, die mehr Platz brauchte und eine Garage ohne Baugenehmigung zum Gebetsraum ausgebaut hat. In so einem Fall freilich kann der Verein bestenfalls vermitteln. „Muslime hatten wir auch schon in unserem Verein, auch im Vorstand. Der eine zog dann aber weg, der andere ging aus anderen Gründen.“

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Streb fände es gut, wenn mehr Muslime dabei wären. Der Verein hat deswegen vor einigen Jahren sogar seine Satzung geändert, in der ursprünglich stand: Mitglieder dürfen nur Deutsche sein. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft nicht habe, sei auch nicht so am kommunalpolitischen Leben interessiert, meint Streb. Trotzdem sei das Verhältnis im Viertel gut. Probleme gebe es immer mal, auch kleine Rangeleien. Auch erinnert man sich hier daran, dass eine der Moscheen in einem der gesichtslosen Bauten am Steindamm 2010 durch die Behörden geschlossen wurde. Die Al-Quds-Moschee war bekannt dafür geworden, dass einige der Attentäter vom 11. September 2001 hier verkehrt hatten und später sich hier die Salafisten trafen. Aber Gewalt zwischen Volks- oder Religionsgruppen - das war am Steindamm bislang unbekannt.
Die Parkplatzsuche galt bislang als das Hauptproblem im Zusammenleben der Kulturen rund um den Steindamm. An diesem Freitag, nach mehreren Nächten mit schweren Krawallen zwischen Kurden und Salafisten, wird das wohl etwas anders sein. Die verschiedenen islamischen Gemeinden und die Polizei haben sich darauf vorbereitet. Seit Jahren gibt es ein gutes Verhältnis. Die Vertreter aller Moscheen sitzen sogar regelmäßig in der Polizeiwache 11 zusammen, um sich mit der Polizei zu besprechen. Und für das Moscheen-Viertel gibt es einen speziellen Kontaktbeamten. Der kennt alle Imame, und die kennen ihn. Umso überraschter sind beide Seiten, dass es diesen Gewaltausbruch hatte geben können. Ausgerechnet an der Al-Nour-Moschee. „Jahrzehntelang war hier alles friedlich“, sagt Streb. Seit Dienstag laufen mehr Polizeistreifen über den Steindamm. Nicht nur um Präsenz zu zeigen. Am Donnerstag noch hatten sie damit zu tun, die Folgen der Gewalt aufzunehmen - einige kaputte Fenster in türkischen Geschäften entlang der Straße. Auch die Bundespolizei ist inzwischen auf dem Steindamm mit dabei.